46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
natürlich!“
Sternau lachte.
„Ich möchte den Mann sehen, dem diese Schönheit gefährlich werden könnte!“ sagte er.
„Nun, sehen Sie einmal dieses Bild.“
Juarez zog aus seiner Tasche eine Fotografie, welche er den beiden vorhielt.
„Ah, Sie haben ihr Porträt!“ sagte Sternau.
„Ja, das ist diese schöne Josefa“, bestätigte Mariano. „Sie scheint noch reizender geworden zu sein, als sie früher war.“
„Sie werden sich wundern, wie ich zu dieser Fotografie komme?“ fragte Juarez.
„Jedenfalls infolge eines zarten Geheimnisses“, antwortete Sternau lächelnd.
Juarez schüttelte belustigt den Kopf und meinte:
„O, dann müßte diese Doña Josefa im Besitz von tausend zarten Geheimnissen sein. Sie schickt ihr Bild im ganzen Land umher.“
„Zu welchem Zweck denn?“
„Um Proselyten zu machen, um Anhänger anzulocken. Diese Dame gebärdet sich bereits als Tochter des Präsidenten oder Königs von Mexiko.“
„Mein Gott, das ist ja entsetzlich albern. Hat dieser Cortejo denn wirklich einigen Anhang gefunden?“
„Mehr als man denken sollte. Der ‚Panther des Südens‘ agitiert für ihn.“
„Das müßte einen besonderen Grund haben.“
„Gewiß, obgleich ich diesen Grund nicht finden kann. Außerdem läuft ihm allerlei Gesindel zu, welches sich bei ihm wohl sein läßt.“
„Er wird diese Menschen von dem Geld bezahlen, welches ihm die mexikanischen Besitzungen der Familie Rodriganda einbringen.“
„Das ist allerdings eine unumstößliche Gewißheit. Dieser Mensch wird den Schaden, welchen er verursacht, nie wieder gut machen können; aber ich gebe Ihnen die heilige Versicherung, daß, falls er in meine Hände fällt, die Strafe ihm im reichlichsten Maße zufallen wird.“
„Hat man keine Ahnung, wo er sich gegenwärtig befindet?“
„Er ist von der Hauptstadt aus nach den südlichen Distrikten gegangen, wo der ‚Panther des Südens‘ leider eine fast unbeschränkte Gewalt besitzt. Ob er sich noch dort befindet, ist nicht zu sagen; aber so viel ist gewiß, daß er in den mittleren und nördlichen Staaten des Landes bald verloren sein würde, gleichviel, ob er den Franzosen oder mir in die Hände fiele.“
In diesem Augenblick wurde die Unterhaltung durch Pirnero unterbrochen, welcher die Tür öffnete. Wie bereits erwähnt, fragte Mariano nach seinem Begehr.
„Dieser Señor ‚Geierschnabel‘ wünscht den Señor Präsidenten zu sprechen“, antwortete der Wirt. Darauf zog er sich zurück.
Juarez tat einige Schritte herbei und fragte den Jäger:
„‚Geierschnabel‘, der Wegweiser? Kommt Ihr in geheimer Angelegenheit?“
„O nein“, antwortete der Gefragte. „Diese Herren wissen ja bereits, was ich Ihnen zu sagen habe, Sir.“
„So tretet gleich hier ein. Ich glaube nicht, daß wir den Kranken wecken.“
„Er schläft sehr fest“, meinte Sternau. „Wir können ohne Sorge sein.“
So durfte also der Amerikaner in das Zimmer treten. Juarez betrachtete ihn genau und sagte, dann auf einen Stuhl deutend:
„Setzt Euch, Señor! Ich vermute, daß Ihr eine Botschaft an mich habt.“
Der Jäger betrachtete sich den Präsidenten ebenso genau, wie er von diesem betrachtet worden war, und spitzte den Mund, um einen Strahl Tabaksbrühe von sich zu spritzen; da aber fiel ihm ein, daß es doch vielleicht nicht so ganz fein sei, in Gegenwart des Präsidenten von Mexiko, sich des Überflusses auf diese ungenierte Weise zu entledigen. Er gab also seinem Mund die gewöhnliche Lage wieder und antwortete:
„Ich schätze, daß Sie richtig geraten haben, Sir. Es ist wirklich eine Botschaft, welche ich an Sie auszurichten habe.“
„Von wem?“ fragte Juarez.
„Von einem Englishman.“
„Ah, von einem Engländer?“ fragte Juarez erstaunt. „Ich erwarte allerdings eine ganz und gar wichtige Botschaft, welche ich von einem Engländer empfangen soll.“
„Ich kalkuliere, daß es diejenige ist, welche ich bringe.“
„Wie heißt dieser Engländer, Señor?“
„Es ist Sir Henry Lindsay, Graf von Nothingwell.“
Da machte Juarez ein außerordentlich überraschtes Gesicht und sagte:
„Sir Henry Lindsay? Ah, da habe ich mich geirrt. Das ist die Botschaft leider nicht, welche ich erwartet habe; das kann ich mir ganz genau denken.“
„Warum soll es diese nicht sein, Sir?“
„Es gelang mir vor einiger Zeit, Sir Henry einen Dienst zu erweisen. Wenn er mir jetzt eine Botschaft sendet, wird es eine private sein, aber nicht eine solche, wie ich sie
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