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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß ich noch extra auf Eure Bewunderung angewiesen wäre. Das mögt Ihr Euch nur merken.“
    Er schritt mit stolz erhobenem Haupt nach dem Schanktisch, um den Schnaps zu holen. Als er denselben vor den Gast hingesetzt hatte, fragte er:
    „Wie kommt es überhaupt, daß Ihr bei mir seid?“
    Der Gefragte blickte ihn verwundert an und antwortete:
    „Ich komme des Julep wegen, rechne ich.“
    „Aber gerade jetzt.“
    Der Amerikaner spitzte die Lippen, wendete sich ihm zu und spuckte ihm so nahe an der Nase vorüber, daß Pirnero erschrocken zurückwich. Dann fragte er:
    „Warum gerade jetzt nicht?“
    „Ich denke, jetzt befindet sich alles draußen bei den Indianern.“
    „Pah! Ich habe Indianer genug gesehen, so lange ich lebe.“
    „Aber diese Zeremonien nicht wie heute.“
    „Mit Zeremonie oder ohne Zeremonie; ich schätze, der Indianer bleibt auf alle Fälle der Indianer. Warum geht Ihr nicht selbst hinaus, um Euch die Sache anzusehen?“
    „Darf ein guter Feldherr den Mittelpunkt des Kampfplatzes verlassen?“
    „Hm“, brummte der Amerikaner vergnügt. „Wen meint Ihr denn eigentlich mit dem ‚Feldherrn‘? Euch oder den Präsidenten Juarez?“
    „Uns alle beide. Auch Präsident Juarez tut seine Pflicht, indem es ihm ganz und gar nicht eingefallen ist, hinaus zu den Indianern zu gehen.“
    „So ist er da?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Droben in seinem Zimmer.“
    „Ich habe mit ihm zu sprechen. Wollt Ihr mir sagen, wo das Zimmer ist?“
    „Ich werde Euch führen. Folgt mir, Señor ‚Geierschnabel‘.“
    Er war wirklich so höflich, den Jäger hinaufzuführen.
    Droben klopfte er an die Tür, hinter welcher er den Präsidenten gelassen hatte; aber es ließ sich keine Antwort hören. Er öffnete vorsichtig und fand das Zimmer leer. Er schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte:
    „Sollte er doch zu den Indianern gegangen sein? Dann wäre ich ja der einzige, der seinen Posten nicht verlassen hat. Da drüben höre ich Stimmen. Ich glaube, diejenige des Präsidenten ist mit dabei.“
    „Wer ist da drüben?“
    „Da liegt der Graf Rodriganda, der fast erschlagen worden ist. Ich werde klopfen.“
    „Dürft Ihr denn stören?“
    „O gewiß. Ich stehe mit Juarez auf einem so vertrauten Fuß, daß wir beide aufeinander gar keine Rücksicht zu nehmen brauchen.“
    Er trat wirklich an die betreffende Tür und klopfte an. Sie wurde von Mariano geöffnet, welcher nach dem Begehr der beiden fragte.
    Juarez war einmal aus seinem Zimmer getreten und hatte da Sternau getroffen, welcher für kurze Zeit noch draußen bei den Apachen gewesen war und nun zurückkam, um nach seinem Patienten zu sehen. Einige kurze Bemerkungen, welche sie austauschten, führten den Präsidenten zu dem Wunsch, den Grafen noch einmal zu sehen. Beide traten also bei ihm ein.
    An dem Bett saß Mariano, welcher den Grafen nicht verlassen wollte. Letzterer war noch nicht erwacht, und so nahmen die beiden bei Mariano Platz, um ein halblautes Gespräch zu beginnen, welches sich bald um die vergangenen Erlebnisse und die Verhältnisse der Familie Rodriganda drehte.
    Sternau und Mariano erzählten abwechselnd alles, was Juarez noch nicht wußte, und dieser hörte mit der allergrößten Spannung zu. Da regte sich der Graf leise, und sofort verstummte das Gespräch. Sie blickten auf den Kranken, dessen starre Züge sich zu beleben begannen. Aber noch kam es zu keinem vollständigen Bewußtsein. Die Falten seiner Stirn zogen sich leise und langsam empor, und seine Lippen öffneten sich.
    „Amilla“, flüsterte er vernehmlich.
    Dann fiel er in Bewußtlosigkeit zurück. Sternau befühlte ihm den Puls an Hand und Schläfen und sagte in beruhigendem Ton:
    „Der Puls geht schwach, aber fast regelmäßig; ich hoffe, daß wir eine große Gefahr nicht zu befürchten brauchen.“
    „Hast du den Namen gehört, welchen er aussprach?“ fragte Mariano.
    „Ja. Es war Amilla?“
    „Ja. Amilla. Was mag er meinen?“
    „Kennst du diesen Namen?“
    „Nein; ich habe ihn noch nicht gehört.“
    „Ich auch nicht, weder von ihm noch aus dem Mund eines anderen.“
    „Vielleicht träumt es ihm.“
    „Man pflegt selbst im Traum nur die Namen solcher Personen auszusprechen, welche man kennt, die wirklich vorhanden sind oder waren. Überdies glaube ich nicht, daß es sich hier um einen Traum handelt. Der Graf war vollständig bewußtlos. In einem solchen Zustand träumt man nicht; aber der zurückkehrende Geist pflegt gern bei irgendeiner Vorstellung

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