46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
so nehmen Sie sich nur immer Zeit! Es fällt dem Präsidenten nicht im Traum ein, Ihnen Leute zu schicken, die unbewaffnet sind. Übrigens ist Sir Henry Lindsay mit einem Schiff gekommen, welches ganz mit Wagen und Munition für Sie beladen ist.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich habe alles selbst gesehen.“
„Das geht weit, weit über meine Erwartungen hinaus. Welche Art von Waffen sind es?“
„Zwölf Kanonen mit Zubehör, einige Tausend Revolver nebst Patronen, ebenso viele Degen, zehnmal so viele Messer, und was die Hauptsache ist, achttausend gute Gewehre, welche Ihnen prächtige Dienste leisten werden.“
Das Gesicht des Präsidenten glänzte vor Freude, und in seinem dunklen Auge stand ein großer, heller Tropfen.
„Ich habe gelitten und geduldet, denn ich dachte, meine Zeit werde kommen. Ich sah das Land verwüsten und den Wohlstand meines Volkes zerrütten, aber ich zagte nicht, denn es gibt eine Gerechtigkeit, welche höher ist, als der Thron Frankreichs. Ich stehe an der äußersten Grenze des Landes, für dessen Wohl ich mein Leben geben würde, und nur wenige Getreue sind es, welche sich bei mir befinden. Gott aber gibt mir jetzt ein Zeichen, daß meine Gebete erhört sind. Ich werde meine Fahne wieder entfalten, und sobald meine Stimme erschallt, werden alle wahren Patrioten sich um mich versammeln, um den Feind hinauszuwerfen. Der Anfang ist gemacht, die ersten vier Kompanien des Feindes sind vernichtet, und nichts soll mich hindern, den begonnenen Lauf fortzusetzen. Ich werde von hier aus direkt nach Chihuahua marschieren, um diese Stadt und dadurch die ganze Provinz von der Gewaltherrschaft der Franzosen zu befreien. Vorher aber muß ich wissen, wann und wo ich den Lord zu erwarten habe. Welchen Auftrag hat er Euch gegeben?“
„In dieser Beziehung gar keinen. Ich soll Ihre Wünsche hören und sie ihm bringen.“
„So wartet er auf Eure Rückkunft?“
„Ja.“
„Wie lange Zeit braucht Ihr, um nach El Refugio zu gelangen?“
Der Yankee streckte seine sehnigen Arme aus, betrachtete seine Fäuste und antwortete:
„Ich rudere gut. In sechs Tagen werde ich unten sein.“
„Ah, dann seid Ihr ein Tausendkünstler!“
„Pah! Man hat gelernt, ein kleines, leichtes Kanu über das Wasser zu bringen!“
„Aber wie lange Zeit braucht man denn, um stromaufwärts nach hier zu kommen?“
„Donnerwetter; es kommt da eben ganz darauf an, welch' ein Fahrzeug man hat, Sir!“
„Nun, welches Fahrzeuges wird sich der Lord bedienen?“
„Er hat an Deck zwei kleine, seicht gehende und schnell fahrende Dampfboote. Er ist jetzt beschäftigt, sie zusammenzusetzen. Sie sind bestimmt, die Fracht des Schiffes auf dem Strom zu tragen, und sie werden ihre Schuldigkeit schon tun.“
„Welchen Weg legen sie in einem Tag zurück?“
„Ich glaube, daß sie in neun bis zehn Tagen hier sein können.“
„Das würde also zusammen mit den sechs Tagen, die Ihr abwärts braucht, sechzehn Tage machen?“
„Ja.“
„Das dauert mir allerdings zu lange. Sechzehn Tage darf ich nicht vergehen lassen, ehe ich Chihuahua nehme.“
„Wer sagt, daß Sie so lange warten sollen?“
„Nun, was sonst?“
„Sie haben wackere Jäger und fünfhundert Apachen bei sich. Diese Leute genügen vollständig, um Chihuahua zu nehmen. Wie steht es aber denn mit Cohahuila?“
„Auch diese Stadt muß mit der gleichnamigen Provinz mein werden.“
„Liegen viele Franzosen dort?“
„Einige Kompanien.“
„Nun, so kalkuliere ich, daß es Ihnen nicht schwer fallen wird, auch diese Stadt in Ihre Hände zu bringen. In welcher Zeit von heute an, können Sie in Chihuahua sein?“
„In drei Tagen.“
„Wieviele Tage braucht ein Reitertrupp, um von da nach Cohahuila zu kommen?“
„Fünf Tage.“
„Nun gut. In drei Tagen in Chihuahua, zwei Tage dort bleiben, fünf Tage nach Cohahuila, sind zehn Tage. Vier Tage vorher komme ich nach El Refugio; wir brechen sofort auf, dampfen den Fluß herauf bis nach Belleville und Revilla, dann biegen wir in den Sabinafluß ein, welcher auf Cohahuila zuläuft. Da, wo er sich in zwei Arme teilt, warten wir auf Sie. Das ist ungefähr zwölf Meilen von Cohahuila entfernt. Ich glaube, diese Berechnung klappt so gut, daß wir für unser Zusammentreffen gar keinen passenderen Ort finden könnten.“
Der Präsident überlegte und sagte dann:
„Ihr habt recht, Señor. Da sieht man wieder, daß ‚Geierschnabel‘ einer der besten Führer ist. Wir wollen es bei dieser Bestimmung bewenden
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