46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
mit größter Spannung erwartet. Sie atmete sichtlich erleichtert auf, als sie ihn erblickte, und sagte:
„Ich begann bereits, für Sie zu fürchten, Señor. Ahnt man, daß Sie jetzt bei mir sind?“
„Nein, Señorita“, antwortete er. „Haben Sie keine Sorge.“
„Wie ist es gegangen? Haben Sie mit den Offizieren gesprochen?“
„Ja. Sie waren beim Kommandanten versammelt. Ich eröffnete ihnen, daß ich ein Abgesandter des Präsidenten sei, und man eröffnete mir, daß man mich infolgedessen festnehmen, als Bandit behandeln und noch diese Nacht erschießen werde.“
„Mon dieu! Welch eine Gefahr für Sie!“
„Sie war nicht groß. Man drang zwar mit gezückten Degen auf mich ein, doch hielt ich diese Helden mit meinen Revolvern sehr leicht in Schach.“
„Auch den Oberst Laramel?“ fragte sie.
„Ihn schlug ich, da er mich beleidigte, mit der Hand nieder.“
„Ah! Ist er tot?“
„Nein, er ist nur besinnungslos, wenn auch eine geraume Zeit vergehen wird, ehe er wieder zu sich kommt. Aber wo ist mein ‚Kleiner André‘, Señorita?“
„Er ließ sich nicht halten und hat sich entfernt.“
„Wohin?“
„Er ist Juarez und den Apachen entgegen. Er hatte Sorge um Sie und ging, damit nötigenfalls schnelle Hilfe vorhanden sei.“
„So muß auch ich gehen, damit nichts Zweckloses unternommen wird.“
„Er bat mich, Ihnen im Falle Ihrer Rückkehr zu sagen, daß er Sie bei Ihrem Pferd treffen werde, welches im Wald steht.“
„So muß ich mich dorthin verfügen, obgleich dies eigentlich nicht der rechte Ort ist, an welchen ich jetzt gehöre.“
„Wann werde ich Sie wiedersehen, Señor?“
„Vielleicht eher als Sie denken. Bis dahin leben Sie wohl!“
Er ging und verließ ungesehen die Stadt. Er fand sein Pferd noch da, wo er es angebunden hatte; auch dasjenige Andrés war noch da. Der kleine Jäger war also den Apachen nicht entgegengeritten. Noch überlegte Sternau, ob er hier warten solle oder nicht, da hörte er Schritte, welche sich leise näherten. Er drückte sich an einen Baum. Der Mann, welcher kam, ließ ein leises Räuspern hören, woran Sternau ihn erkannte.
„André!“ sagte er.
„Ah, Sie sind bereits da?“ antwortete der Angerufene. „Verzeihung, daß ich mich entfernt habe! Ich konnte es vor Sorge um Sie nicht länger bei der Señorita aushalten. Es trieb mich aus der Stadt hinaus.“
„Das war unnötig, mein Lieber!“
„Hol's der Teufel! Sie waren in die Höhle des Löwen gegangen. Welche Garantie hatte ich, daß er Sie nicht zerriß?“
„Oh, ich bin von einem Stoff, welcher sich nicht so leicht zerreißen läßt.“
„Das weiß ich, aber viele Hunde sind des Hasen Tod. Man konnte Sie festhalten und mit den anderen erschießen wollen.“
„Dies beabsichtigte man allerdings.“
„Sehen Sie! Ich eilte also fort, um zu erkunden, ob die unsrigen nicht bald nahe seien.“
„Das ist kaum denkbar.“
„Oh, diese Apachen reiten famos, und Juarez hat es ihnen gleichgetan.“
„Wie? So ist er mit ihnen bereits hier?“
„Ja. Sie haben ihre Pferde halb tot geritten.“
„Wer ist es?“
„Juarez, die beiden Apachenhäuptlinge, Ihre sämtlichen Gefährten und gegen hundert der bestberittenen Krieger. Die weniger gut berittenen sind noch zurück.“
„Hundert Krieger? Ah, das genügt! Kommen Sie schnell!“
Die beiden Männer banden ihre Pferde los und verließen das Wäldchen. Bereits nach kurzer Zeit erreichten sie die Apachen. Man konnte sich bei der Dunkelheit nur an der Stimme erkennen. Juarez trat auf Sternau zu und sagte:
„Ah, Señor, das war der fürchterlichste Ritt, den ich in meinem Leben gemacht habe. Ich bin wie gerädert.“
„So muß man Ihnen Ruhe gönnen. Ich denke, Sie können uns die Arrangements, welche jetzt nötig sind, wohl überlassen.“
„Nein, nein, Señor! Ich will bei allem, was geschieht, dabeisein.“
„Auch wenn Ihre Freiheit, Ihr Leben in Gefahr kommen sollte?“
„Auch dann! Ich bin es meinen Mexikanern schuldig, den fremden Eindringlingen zu zeigen, daß wir bereit sind, der Freiheit unseres Vaterlandes alles zum Opfer zu bringen. Señor André sagte mir bereits, daß Sie beim Kommandanten waren?“
„Ja. Ich habe mit ihm in Gegenwart aller seiner Offiziere gesprochen.“
„Mit welchem Erfolg?“
„Mit demjenigen, der vorauszusehen war. Das gegen die Republikaner erlassene Dekret ist Tatsache. Man wird Sie und Ihre Anhänger als Banditen behandeln. Man erkennt Sie nicht als eine Person an, mit
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