46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
gebrauchen!“ sagte er. „Sie sind ein verwegener Mensch, dessen Revolver mich für einen Augenblick überraschen konnte; aber ich bin französischer Offizier und fürchte Ihre Kugeln nicht. Ich werde Sie festnehmen lassen trotz Ihrer Revolver. Vorher aber will ich Ihnen meine Antwort geben.“
„Ich bin begierig, sie zu hören.“
„Ich sage Ihnen, daß ich den überkommenen Befehl auf das strengste erfüllen werde.“
„Das ist mir leid, zumeist um Ihrer selbst willen.“
„Pah! Ich werde bereits heute beginnen, meine Pflicht zu tun. Und wissen Sie, wer der erste ist, den ich noch diese Nacht als Bandit erschießen lasse?“
„Ich ahne es“, sagte Sternau lächelnd.
„Nun?“
„Sie meinen natürlich mich?“
„Allerdings. Sie sind mein Gefangener. Ergeben Sie sich freiwillig. Ihr erster Schuß wird vielleicht einen von uns töten, dann aber haben wir Sie fest, ehe Sie den zweiten abfeuern können.“
„Das zu beweisen dürfte Ihnen schwer gelingen; aber ich liebe es nicht, auf eine unnütze Weise Menschenblut zu vergießen; darum will ich meine Waffen wieder zu mir stecken.“ Er schob die Revolver in die Tasche.
„Gut. Sie ergeben sich also?“
„O nein, das kann mir gar nicht einfallen.“
„Aber ich erkläre Ihnen, daß jeder Widerstand unnütz ist.“
„Oh, es ist auch meine Absicht gar nicht, Ihnen Widerstand zu leisten.“
„Was denn sonst?“
„Ich wünsche nur, mich Ihnen zu empfehlen.“
Er machte eine tiefe, ironische Verbeugung und hatte dann mit drei raschen, weiten Schritten die Türe erreicht.
„Halt! Faßt ihn! Haltet ihn fest!“ rief der Kommandant.
Er selbst sprang eiligst nach der Tür, aber als er sie erreichte, hatte sie sich bereites hinter Sternau wieder geschlossen.
„Er flieht! Er entkommt! Ihm nach!“
Unter diesen Rufen drängten sich die Herren Franzosen nach dem Ausgang; aber sie fanden zu ihrem Ärger die Tür verschlossen. Keiner dachte daran, ein Fenster zu öffnen, um einen Befehl hinabzurufen, sondern ein jeder vereinigte sich mit den anderen, um die Tür mit den Fäusten zu bearbeiten. Erst nach verhältnismäßig langer Zeit wurde sie geöffnet. Der alte Schließer stand draußen. Er machte ein ganz und gar erstauntes Gesicht und sagte:
„Dios mío! Wer hat denn die Señores eingeschlossen?“
„Mensch, wo warst du denn jetzt?“ fragte der Kommandant.
„Unten an der Tür, Señor“, antwortete der Gefragte.
„Hast du jemand das Haus verlassen sehen?“
„Ja, Señor.“
„Wer war es?“
„Der Fremde, welcher vorhin eintrat.“
„Du meinst den hohen, breiten Menschen in mexikanischer Tracht?“
„Ja, denselben.“
„Nach welcher Richtung ging er fort?“
„Er ging nicht, sondern er ritt.“
„Er ritt?“ klang die erstaunte Frage. „Er hatte ein Pferd in der Nähe?“
„Ja, Señor. Ich stand am Tor. Er kam sehr schnell an mir vorübergeeilt und stieß, als er die Straße kaum erreicht hatte, einen Pfiff aus. Da hörte ich Pferdegetrappel. Ein Reiter, der noch ein lediges Pferd führte, kam herbei, und er sprang rasch auf und ritt davon.“
„Ah, das hätten wir hören müssen.“
„Ich habe es selbst ja kaum gehört. Die Señores klopften hier so derb und stark an, daß anderes nur schwer zu vernehmen war.“
„Das mag sein. In welcher Richtung ritt er davon?“
„Nach links.“
„So wird er uns doch nicht entkommen. Es muß ihm sofort ein gut berittenes Pique folgen. Wer will das übernehmen?“
Es meldeten sich mehrere der jüngeren Offiziere. Der Kommandant traf seine Wahl, und bald ritt der Betreffende in Begleitung von zehn Kavalleristen in der angegebenen Richtung davon.
Sternau hatte, als er den Schlüssel der Tür umdrehte, den auf ihn wartenden Schließer sofort bemerkt. Dieser trat ihm aus der gegenüberliegenden Tür entgegen und drückte ihm sein Laternchen in die Hand.
„Schnell, Señor!“ flüsterte er. „Mein Bruder nimmt die Schlüssel in Empfang.“
Sternau trat da drüben ein und eilte durch die bereits angegebenen Räume, indem er alle Türen hinter sich verschloß. Der Hausmeister stand auf seinem Posten.
„Gott sei Dank!“ sagte er. „Ich hatte bereits große Sorge.“
„Sie war überflüssig. Ich gehe fort. Hier sind die Schlüssel.“
Der Hausmeister nahm sie und die Laterne in Empfang, um sie seinem Bruder zu bringen; Sternau aber eilte zu der Señorita zurück, was ihm auch unter dem Schutz des nächtlichen Dunkels ganz unbemerkt gelang.
Sie hatte seine Rückkehr
Weitere Kostenlose Bücher