46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
ohne daß es gemerkt wird; dann begeben wir uns nach dem Stadthaus. Im Fortgehen haben Sie die Güte, mir den Hausmeister heraufzuschicken.“
Sternau ging, und kurze Zeit darauf trat der Hausmeister ein. Dieser hatte, da es im Flur dunkel war, Juarez nicht gesehen. Als jetzt sein Auge auf ihn fiel, machte er eine Bewegung der freudigsten Überraschung.
„Gott, der Präsident!“ rief er. „Oh, Señor, ist das die Möglichkeit?“
In seinem Gesicht spiegelte sich das ungeheucheltste Entzücken ab. Dies mußte Juarez erkennen. Er reichte dem Alten die Hand entgegen und sagte:
„Ja, ich bin es. Sie kennen mich also persönlich?“
„Ja. Ich habe Sie gesehen, als Sie von hier nach Paso del Norte gingen. Aber, Señor, wissen Sie, was Sie wagen, so allein nach Chihuahua zu kommen?“
„Das Wagnis ist nicht zu groß. Ich hoffe im Gegenteil, die Stadt noch heute in meine Hand zu bekommen, und dabei rechne ich auf Ihre Hilfe.“
„Oh, was ich tun kann, das soll mit der größten Bereitwilligkeit geschehen.“
„Gut. Sind Sie Ihres Bruders sicher, welcher Schließer des Stadthauses ist?“
„Vollständig, Señor. Er ist ein ebenso guter Republikaner wie ich.“
„So gehen Sie jetzt, um ihm zu sagen, daß er mir, geradeso wie vorher Señor Sternau, die Hintertür öffnen soll.“
„Sie wollen zu den Offizieren?“
„Ja.“
„Welch eine Kühnheit. Man wird Sie gefangennehmen, Señor.“
„Man hat Señor Sternau auch nicht gefangengenommen, obgleich er allein war; ich aber werde fünfzig Indianer mitbringen und, ganz im Gegenteil, die Herren Offiziere gefangennehmen.“
„Fünfzig Indianer? Oh, das genügt; das ist etwas anderes. Dieser Streich wird gelingen, und dann gehört Chihuahua uns. Ich eile, meinen Bruder zu benachrichtigen, Señor. Er wird Ihnen alle Türen öffnen.“
„Schön. Vorher aber gehen Sie nach der Venta und sagen dem Wirt, aber so, daß es niemand hört, daß er jetzt gleich herüberkommen soll.“
Der Hausmeister ging, und bald trat der Wirt ein, mit allen Zeichen einer freudigen Aufregung im Gesicht. Er war ganz glücklich, Juarez zu sehen und den Auftrag, die Namen der hervorragendsten Republikaner aufzuschreiben und dieses Verzeichnis zum Gebrauch bereitzuhalten.
Es war nach seiner Entfernung noch keine lange Zeit vergangen, so kehrte Sternau zurück, um zu melden, daß die Apachen bereit seien.
„Sind Sie vielleicht bemerkt worden, Señor?“ fragte der Präsident.
„Nein. Die roten Männer verstehen es, selbst bei heller Beleuchtung sich ungesehen anzuschleichen; heute aber ist es so dunkel, daß sie imstande wären, mitten in der Stadt ihren Kriegstanz unbemerkt aufzuführen.“
„So wollen wir aufbrechen. Sie werden unser Führer sein.“
Emilia bat, sich der größten Vorsicht zu befleißigen, und schon schritt Juarez der Tür zu, als er sich rasch wieder umdrehte und zu ihr sagte:
„Da kommt mir ein Gedanke, Señorita. Hätten Sie den Mut, uns zu begleiten?“
„Gewiß“, antwortete sie schnell. „Wenn ich mitgehen kann, werde ich nicht diese Sorge auszustehen haben, als wenn ich zurückbleiben muß.“
„Ihr Mitgehen hat einen anderen Zweck. Sie werden nach Mexiko zum Kaiser gesandt werden, und da gilt es, Sie als Anhängerin desselben zu legitimieren. Ihre Instruktionen erhalten Sie morgen. Jetzt gehen Sie mit uns und treten vor uns bei den Offizieren ein. Sie sagen denselben, daß Sie von einen Ihrer Spione gehört haben, daß ich nach Chihuahua marschiere und jeden Augenblick hier sein kann, ferner, daß ich sofort durch die Stadt nach dem Rathaus eilen würde, um mich in den Besitz desselben zu setzen. Sie raten, sofort Maßregeln zur Vorsicht zu ergreifen. Was Sie sonst noch sagen werden, überlasse ich Ihrem Scharfsinn. Es versteht sich von selbst, daß ich im geeigneten Augenblick erscheinen werde. Mit Ihrer Toilette Zeit zu versäumen, haben Sie nicht nötig. Es muß scheinen, als ob Sie sich nach Empfang dieser Nachricht gleich auf den Weg gemacht haben.“
„So genügt es, eine Mantille umzunehmen; dann bin ich bereit.“
Als einige Augenblicke später die drei das Haus verließen, war es ihnen unmöglich, einen der Indianer zu erkennen.
„Wo sind sie?“ fragte Juarez.
„Sie liegen an der Häuserreihe entlang am Boden“, antwortete Sternau. „Gehen wir nur fort, sie werden uns folgen, ohne daß wir uns darum zu kümmern brauchen.“
Sie gingen mit möglichst gedämpften Schritten vorwärts, durch mehrere Gassen, bis sie die
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