46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
hintere Seite des Stadthauses erreichten. Dort stand der Hausmeister wartend an der Tür.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Juarez.
„Alles, Señor“, antwortete der Alte.
„Wo befindet sich Ihr Bruder?“
„Er steht mit der Blendlaterne auf der Treppe, um Sie zu führen, während ich den letzten mache, um die Tür zu schließen.“
„Die Offiziere sind noch beisammen?“
„Ja. Aber Sie kommen allein! Wo sind die Indianer?“
„Allerdings, wo sind sie?“ wendete Juarez sich an Sternau.
Er hatte bis jetzt noch keinen der Apachen erblickt; kaum aber hatte er diese Frage, und noch dazu mit sehr gedämpfter Stimme, ausgesprochen, so richtete sich neben ihm eine dunkle Gestalt empor und antwortete leise:
„Hier sind wir!“
Im Nu standen alle fünfzig Rothäute neben diesem einen.
„Dann aber ja so leise wie möglich.“
Dieses Gebot war eigentlich den Indianern gegenüber nicht nötig.
Hätte jemand eine Minute später das obere Stockwerk des Stadthauses sehr genau beobachtet, so hätte er einen blassen Lichtschein gedankenschnell über das oder jenes Fenster blitzen sehen. Dieser Schein kam von der Blendlaterne des Schließers, welcher die ganze Kolonne führte.
Zu derselben Zeit hatte sich Oberst Laramel von dem Faustschlag erholt, der ihm von Sternau versetzt worden war. Die Besinnung war ihm zwar bereits längst zurückgekehrt, aber sein Gehirn war doch so erschüttert, daß er noch immer mit einer Art von Betäubung zu kämpfen hatte.
„Hätte ich diesen Kerl da!“ zürnte er. „Ich ließ ihn totpeitschen.“
„Wir fangen ihn jedenfalls“, tröstete der Kommandant; „und dann soll er eine Strafe erhalten, deren Strenge Sie befriedigen wird.“
In diesem Augenblick wurde sehr höflich an die Tür geklopft, und als sie sich gleich darauf öffnete, erhoben sich alle von ihren Stühlen. Emilia war es, welche eintrat.
„Señorita, Sie hier?“ fragte der Kommandant. „Zu so später Stunde?“
„Es ist allerdings jetzt nicht die gebräuchliche Besuchszeit“, antwortete sie; „aber die Pflicht gebietet mir, Sie dennoch aufzusuchen.“
„Die Pflicht? Das klingt sehr ernsthaft.“
„Es ist auch sehr ernsthaft, Señores. Ich habe Ihnen Wichtiges mitzuteilen.“
„Nehmen Sie Platz und sprechen Sie.“
Er bot ihr einen Sessel an; sie aber wies denselben zurück und sagte:
„Verzeihen Sie, Señor, daß ich gar nicht erst Platz nehme. Wie Sie mich hier sehen, komme ich in höchster Eile, um Ihnen zu sagen, daß Sie von einer sehr großen Gefahr bedroht werden.“
Seine höflich lächelnde Miene verwandelte sich in eine sehr ernste.
„Von einer Gefahr? Welche könnte das sein?“
„Ich will Ihnen mit einem Wort sagen, daß Juarez im Anzug ist.“
„Ah! Das beruhigt mich!“ antwortete er.
„Wie, das beruhigt Sie?“ fragte sie erstaunt.
„Ja. Ich dachte erst, Sie brächten uns eine viel schlimmere Nachricht.“
„Sie sehen mich ganz und gar überrascht. Ist dies nicht die allerschlimmste Nachricht, welche Ihnen gebracht werden kann?“
„Nein. Übrigens bin ich auf diese Kunde bereits vorbereitet. Man sagte mir heute abend schon einmal, daß Juarez El Paso del Norte verlassen habe, um sich der Provinz Chihuahua wieder zu bemächtigen.“
„Nun sehen Sie, daß meine Warnung eine dringliche ist.“
„Nicht so sehr, wie Sie denken. Dieser Indianer, welcher sich einbildet, Präsident von Mexiko zu sein, ist uns nicht gefährlich.“
„Sie irren, Herr Oberst. Man sagte mir vorhin, daß Juarez Ihre Truppen geschlagen habe.“
„Das sagte man auch mir bereits“, antwortete er.
„Und Sie nehmen das mit einem Lächeln hin?“
„Ja, denn es ist eine Lüge, die man ausspricht, um mich zu schrecken.“
Er selbst glaubte nicht, daß es eine Lüge sei, aber er wollte dies der Señorita gegenüber nicht eingestehen oder zugeben. Sie fuhr im dringlichen Ton fort:
„Ich bin überzeugt, daß es nicht eine Lüge, sondern die Wahrheit ist. Der Mann, welcher mir die Nachricht brachte, ist zuverlässig.“
„Wer ist er?“
„Sie wissen, daß ich überall meine Verbindungen habe, welche mich befähigen, Ihnen nützlich zu sein. Unter diesen Leuten befindet sich auch ein mexikanischer Goldsucher. Er befand sich in der letzten Zeit in Fort Guadeloupe und ist Zeuge des dort stattgehabten Kampfes gewesen.“
„Ah! Wo ist er jetzt?“
„In meiner Wohnung. Er traf heute abend bei mir ein.“
„Könnte man ihn vielleicht sehen und sprechen?“
„Ja. Ich werde ihn
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