47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
versetzen, der ihn halbieren würde wie eine reife Melone. Doch stattdessen ließ Kai das Schwert sinken. Der tödliche Streich kam nicht.
Aber dann glomm erneut Zorn in den fiebrigen Augen des Halbbluts auf, als entzünde sich ein Feuersturm aus einigen wenigen Funken heraus neu. Er riss das Schwert abrupt hoch und schlug zu – knapp an Oishi vorbei, der zur Seite rollte und sein Glück kaum fassen konnte, als er seine eigene Waffe ergriff und wieder auf die Beine kam.
Kai griff ihn erneut an, immerhin heftig genug, um ihn in Richtung des Gitters zu drängen, durch das man Oishi in den Käfig geworfen hatte. An den Stäben nagelte er ihn schließlich fest. Mit einem rauen Triumphschrei holte Kai aus und stieß zu – Oishi spürte den Luftzug der Klinge, als diese an ihm vorbeifuhr und die Wache auf der anderen Seite des Gitters durchbohrte und tötete.
Oishi starrte Kai ungläubig an, aber ohne darüber nachzudenken, reagierte sein Körper, wandte sich um und tötete eine weitere Wache, die eine Hakenbüchse auf Kai richtete. Oishi ergriff die Waffe, bevor sie auf das Deck fiel und zog sie mit gezündeter Lunte durch die Gitterstäbe zu sich heran. Er zielte in die Menge, stieß den Sicherheitsdeckel von der Zündkammer fort und zog den Abzugshahn.
In einer der vorderen Reihen der kreischenden Menge erblühte eine blutige Rose auf dem rötlichen Gesicht des
kapitan
, direkt über seinen Augen. Er kippte vornüber.
Als Kai mit den restlichen Wachen, die unklugerweise das Tor geöffnet hatten, um zu ihnen zu gelangen, kurzen Prozess machte, brach unter den Zuschauern die Hölle aus. Kai und Oishi duckten sich unter ihnen weg und rannten davon. Erleichtert, dass wenigstens einer von ihnen den Weg hinaus fand – sei es nun aus Erfahrung oder bloßem Instinkt – folgte Oishi Kai, bis sie das Ende der verschlungenen Korridore des Schiffs erreicht hatten.
Als sie auf das Deck stolperten, konnte er sich mit einem Mal wieder orientieren und rannte auf den Landungssteg zu.
Kai folgte ihm, als der Insulaner aus der Dunkelheit hinter ihnen schoss. Der tätowierte Wilde hob seine Pistole und zielte auf Kai, denn die Pistole hatte nur einen Schuss. Kai lief hakenschlagend durch das Labyrinth der Kisten und lenkte den Insulaner ab, bis Oishi die Planke erreicht hatte und halb laufend, halb rutschend hinunterrannte.
Oishi hörte einen Schuss und hielt schlitternd an. Er blickte sich in dem Moment um, in dem Kai einen Satz über die Reling machte – vielleicht fiel er auch. Jedenfalls rollte er sich ab und kam wieder auf die Beine, bevor Oishi ihn erreichen konnte. Er rannte davon, bevor Oishi auch nur ein Wort herausbrachte.
Seite an Seite stürzten sie sich nun vom Pier in das Gewimmel, das bei Nacht in Dejima herrschte. Ihr plötzliches Auftauchen, blutüberströmt und mit gezückten Waffen, sorgte für einen neuerlichen Aufruhr, doch die Wachen, die überall stationiert waren, um die Ordnung zu bewahren, waren sofort zur Stelle.
Oishi und Kai kämpften sich ihren Weg durch die Menge in Richtung der Brücke, aber die Verletzungen und die Schreie, die sie hinterließen, zogen nur noch mehr Männer an. Oishi musste sich nicht umsehen, um den Tätowierten schreien zu hören und zu wissen, dass dieser sie immer noch verfolgte. Mit Pistolen und Schwertern bewaffnete Wachposten schienen ihm aus dem Nichts zu Hilfe zu kommen. Die Pistolen waren aus dieser Entfernung mehr als nutzlos, aber die Männer, die sie trugen, holten auf, der Insulaner immer voran – auch als Oishi bereits die Flaggen sah, die den Beginn der Brücke markierten.
Sie würden es nicht schaffen
.
Vor einem Lagerhaus kamen sie an einem Fass mit Tran vorbei, das man für Lampen benutzte, und Kai trat es um. Er wurde dabei kaum langsamer. Als das Öl sich auf dem Weg verteilte, den ihre Verfolger nehmen mussten, griff er nach einer Laterne, die über ihm hing, und warf sie. Der flüssige Tran loderte zu einer Feuerwand auf, die die Verfolger von ihnen abschnitt.
Oishi konnte noch immer Schüsse, Rufe und zornige Flüche hinter sich hören, aber mit jedem Schritt, den sie zurücklegten, ließen sie die Gefahr, getroffen zu werden, weiter hinter sich zurück.
Sobald sie die Brücke überquert hatten, wären sie in Sicherheit.
12
Mika betrachtete schweigend den Ausblick auf die schroffen, mit Schnee bedeckten Bergkämme – sie waren das Einzige, was sie durch die offene Tür des Raums sehen konnte, die auf den unteren Hof der Burg Kirayama hinausging.
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