Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
Kimonos und begrub sie unter den vielen Schichten des Gewandes und dem gefütterten Seidenumhang. Sie warf Kira, der am anderen Ende des kleinen Tischchens saß, unter dem sich eine Kohlenpfanne befand, einen Blick zu. Eine gesteppte Decke lag über dem Tisch und fing genügend Hitze ein, um ihre Beine zu wärmen. Ein Tablett mit einer Kanne heißem Tee und zwei Tassen wartete auf sie. Kira bestand darauf, dass sie die Mahlzeiten gemeinsam einnahmen und Zeit miteinander verbrachten, ob sie das wollte oder nicht.
    Sie hatte nachgegeben, weil sich – lehnte sie zu oft ab – die wahre Hässlichkeit seines Geistes nur allzu schnell zeigte. Und sie hatte gelernt, dass er diese Grausamkeit dann gern in ihrem Beisein an den hilflosen Menschen um sie herum ausließ. Er wusste, dass sie das mehr verletzte, als hätte er sie selbst mit dem Messer angegriffen.
    Fürst Kira räusperte sich. Mika erinnerte sich, dass sie nicht allein hier saß, und sah zu ihm hin: Sie hatte länger in brütendem Schweigen dagesessen, als ihr selbst bewusst gewesen war.
    Heute lag eine Vorahnung des Frühlings in der Luft, und so hatte Kira entschieden, dass sie den Tee heute im Pseudo-Freien einnehmen würden – in diesem Raum, in dem alle Jahreszeiten gleichzeitig existierten, wenn auch nur zweidimensional. Die Wandgemälde waren mit herzzerreißend schönen Landschaften geschmückt: die Frühlingsblüte der Pflaumen- und Kirschbäume und die Kamelien und Hortensien des Sommers. Vögel flogen unter blauem Himmel, Karpfen und Libellen schimmerten in blauen Wellen, durch die Kraniche und Reiher stolzierten. Das Grün des Grases und der Bäume ging in das flammende Rot herbstlicher Ahornblätter und die satten Farben der Chrysanthemen über – die ganze traumhafte Schönheit von Akos Jahreszeiten, die hier in den Bergen nur wenige Wochen andauerte und den Rest des Jahres nur eine Erinnerung war, während sich die Farben des Landes und des Himmels auf Schwarz, Weiß und verschiedene Abstufungen von Grau beschränkten.
    Die reale Welt, die sie mit Kira bewohnte – ausgeblichen zu den toten Farben des Winters – war durch die weit geöffnete Tür zu sehen. Die eisige Bergluft drang herein und verstärkte den Eindruck der Unwirklichkeit, die sie umgab und an ein Kabuki-Stück erinnerte. Neben ihnen kniete auf dem Boden ein struppiger Junge in der abgetragenen Tunika und der gewickelten Beinbekleidung eines Bauern und spielte mit bemerkenswerter Kunstfertigkeit das
shamisen
– auch wenn ihm das nur einen Platz als Sklave an ihrer Seite eingebracht hatte und nicht einmal warme Kleidung.
    Wie passend, dachte Mika, dass die Unwirklichkeit der Wandmalereien das Leben so gut imitierte – wie ein Stück innerhalb eines Stücks –, denn sie fühlte sich permanent, als sei sie eine Schauspielerin auf einer Bühne.
    »Wenn Ihr etwas Tee nähmet, Madame, würdet Ihr vielleicht die Kälte nicht mehr spüren«, sagte Kira mit der scheinbaren Freundlichkeit, hinter der er stets seine wahren Gefühle verbarg. Er saß ihr gegenüber und trug weder einen Umhang noch eine gefütterte Jacke über seinem prächtig gewobenen Kimono in blaugrau. Er schien sich so wohl zu fühlen, als sei das da draußen wirklich ein Frühlingstag für ihn.
    Mika sah die kunstvollen
raku
-Tassen an, in die Kira nun den Tee goss. Das unregelmäßige, irisierende Muster auf der zarten, tiefgrünen Glasur kontrastierte perfekt mit den rauchschwarzen Flecken, die ebenfalls unregelmäßig darauf verteilt waren und durch die besondere Brenntechnik des
raku
-Porzellans entstanden. Das Teeservice war von jemandem gemacht worden, der einen ganz besonderen Sinn für
wabi-sabi
hatte – jemandem, der in Harmonie mit der unberechenbaren Kunstfertigkeit der Natur stand, der nicht nur die Freude der Schöpfung offen willkommen hieß, sondern auch die Enttäuschungen des Versagens und das Leid, sich für immer von einem Werk trennen zu müssen, das einem das liebste war – und damit auch den Trost einer neuen Schöpfung.
    Dieses Service war sicher sehr teuer gewesen. Sie fragte sich, wie viele von Kiras Leuten wohl den langen Winter über gelitten hatten, ohne ausreichende Kleidung und Nahrung, damit ihr Fürst seine Geisel mit immer neuen Geschenken feiner Gewänder oder einem Teeservice wie diesem beeindrucken konnte.
    Sie zog die Hände aus den Ärmeln hervor und erwiderte Kiras höflich besorgten Blick mit leerer Miene. »Bitte belastet Euch nicht mit der Sorge um mich. Ich bin die Tochter

Weitere Kostenlose Bücher