47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
eines Samurai.«
Der Zorn, der immer unter der oberflächlichen Ruhe von Kiras Benehmen schwelte, flammte plötzlich in seinen Augen auf. Sie sah, dass seine Selbstbeherrschung an ihre Grenzen stieß und er sich nur mit Mühe zurückhalten konnte, sie zu schlagen. Sie wusste plötzlich: Waren sie erst einmal verheiratet, würde er sich nicht mehr zurückhalten müssen.
Sie wandte sich ab, um ihn nicht noch mehr zu reizen, und war sich dabei der Hilflosigkeit des Jungen neben ihnen nur allzu bewusst. Sie hatte widerwillig auf seine Andeutung, dass sie schwach war, reagiert, aber seine Überreaktion auf ihre Worte offenbarte den Drachen, der in den Tiefen seiner wankelmütigen Seele lauerte.
Sie hatte ihre Worte in Selbstverteidigung gesprochen, nicht als Angriff auf seine Herkunft. Aber so hatte er sie verstanden. Seine brüchige Arroganz war nur ein weiteres Zeichen seiner Unsicherheit, eine Maske für das tiefsitzende Gefühl der Unterlegenheit, das den Drachen fütterte, der sich um sein Herz wandt.
Auch dadurch, dass er der neue Fürst Asano wurde, würde sich dieses Monster nicht beruhigen lassen, denn jeder Akt des Betrugs oder der Bosheit, den Kira beging, machte es ihm unmöglicher, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und seine eigene Menschlichkeit – oder deren Fehlen – anzuerkennen. Er konnte die Wahrheit nicht ertragen – vor allem, wenn sie von ihr kam.
Sie betrachtete den Jungen, der das
shamisen
spielte, als lausche sie der Musik. Er zitterte sichtbar. »Dem Kind ist kalt«, sagte sie ruhig.
Kira wandte sich ihr zu, als versuche er, zu erkennen, ob und wenn ja, welche Beleidigung sich hinter dem Umstand verbarg, dass sie sich auf den Jungen konzentrierte und nicht auf ihn. Er wandte sich auf dem Kissen um, auf dem er saß, die Beine weiterhin unter der warmen Decke, und fragte: »Ist dir kalt, Junge?«
Wie üblich war an der harmlosen Frage nichts Falsches. Und doch lauerte – wie üblich – eine schreckliche Drohung dahinter.
Der Junge sah kurz auf, dann senkte er den Blick schnell wieder und schüttelte den Kopf. Er spielte fehlerlos weiter, als hinge sein Leben davon ab.
Kira lächelte Mika an. »Seht Ihr«, sagte er. »Er stammt vom Land, wie ich. Wir nehmen die Dinge hin, wie sie sind.« Er sah den Jungen aufmunternd an, während er ihm weiter zuhörte.
In Mika stieg Ekel hoch wie Galle. Ihre schlimmste Angst machte sich in ihr breit: Die Furcht, dass zu der Zeit, wenn sie nach Ako zurückkehren würde, niemand mehr da sein würde, der dieses Monster davon abhalten könnte, ihre Heimat zu verschlingen, wie er es mit seinem eigenen, armen Land gemacht hatte – indem er den Leuten das Leben aussaugte. Niemand würde mehr da sein, um ihren Vater zu rächen und seinen Geist zu befreien.
Keiner außer ihr
.
Ihre Hand glitt erneut in ihren Kimonoärmel und berührte den kleinen Beutel mit Gift, den sie die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Kiras Furcht vor Verrat verließ ihn nie, selbst in den Mauern seiner eigenen Burg nicht. Und sie wusste: Wenn sie ihn tötete, würde sie Ako nie wiedersehen. Aber was würde es heißen, zurückzukehren, wenn nichts mehr da war, zu dem man zurückkehren konnte? Sie brauchte nur eine Gelegenheit ...
Kiras Blick wanderte nun über den unteren Burghof, wo eine Gruppe seiner Soldaten ihre Kampfkunstübungen unter dem kritischen Auge ihres Lehrers abhielt.
Sie zog das kleine Säckchen mit Gift aus dem Ärmel und nahm es in die Hand. Mit dem Fingernagel riss sie ein Loch in den zarten Stoff. Das feine, geruchlose Puder floss in Kiras Tee und löste sich auf der Stelle auf.
Mika ließ das Säckchen genau in dem Moment wieder in ihren Ärmel gleiten, in dem Kira sich ihr wieder zuwandte. »Wir werden bald nach Ako zurückkehren, Madame, und dort werdet Ihr die Winter nicht so bitterkalt finden.«
Sie hob ihre Tasse und nippte daran. Ausnahmsweise sah sie ihn an, als er weitersprach: »Und ich freue mich darauf, den Frühling dort mit eigenen Augen zu sehen.«
Kiras Lächeln erstrahlte vor Vorfreude, als er seine eigene Tasse anhob und sie an die Lippen führte.
Mika starrte ihn weiterhin an und versuchte, ihre Miene so ausdruckslos wie immer zu halten, während sie darauf wartete, dass er den ersten Schluck nahm. Sie konzentrierte sich so sehr auf ihn, dass sie beinahe vergaß, zu atmen.
Kira hielt inne, als er ihre ungewöhnliche Aufmerksamkeit bemerkte. Sie senkte rasch den Blick und versuchte, ihre Antwort so zu geben, als sei es der Gedanke,
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