47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben fragte sie sich, wo Kai wohl gelernt hatte, Dämonen wie ein legendärer Held zu töten ... wie ein
tennin
.
Sie sah ihn nicht an und fragte: »War das ... Mitsuke? Ich dachte, ich hätte sie getötet.« Wieder schaute sie zu der Stelle, an der sie die Spuren eines unsichtbaren Fuchses gesehen hatte, die in der Nacht verschwanden.
»Ihr habt sie getötet.« Kai folgte ihrem Blick. »Wenigstens in dieser Welt. Ihr habt ihre Inkarnation getötet, und jetzt ist ihr unsere Ebene der Existenz verschlossen. Sie war sehr mächtig, sehr alt ... aber sie wird nie wieder das Leben eines Menschen ruinieren.« Er sah den Dolch, der noch immer auf den Pflastersteinen lag, und langsam mit einer Schicht Schnee überzogen wurde.
»Was war
das
dann ...«, sie zeigte in die Luft über den umgekippten Steinlaternen, »... wenn sie es nicht war?«
Eine merkwürdige Traurigkeit huschte über sein Gesicht. »Das war ... etwas anderes.« Er schüttelte den Kopf. »Die meisten
yōkai
wollen nichts mit den Menschen zu tun haben. Wenn Gestaltwandler eine menschliche Gestalt annehmen, ist das normalerweise ein Schwindel, um etwas Bestimmtes zu erreichen, das sie unbedingt wollen.
Yōkai
können keinen anderen
yōkai
in Besitz nehmen. Doch es gibt Dämonen, die sich von menschlichen Gefühlen ernähren, und die können sich eines Menschen bemächtigen.« Er schaute weg. »Du hast einen gesehen, der sich von Eifersucht ernährte, und der war in Mitsuke gefahren.«
»Er hatte ihre Augen ...«, flüsterte Mika. Doch dann beugte sie sich vor und packte ihn an der Jacke. »Doch wie konnte sich dieses Monster von Mitsukes
menschlicher
Eifersucht ernähren? Sie war kein Mensch!«
»Deshalb war es so furchtbar ... so mächtig, meine ich.« Er zog eine Grimasse, und etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Woher wusste er so viel über
yōkai
und ihre Kräfte? Sie verschwieg diesen Gedanken, obwohl sie sicher war, dass er ihr ins Gesicht geschrieben stand.
Kai sagte nur leise: »Mitsuke wäre niemals vollkommen menschlich geworden – doch sie war in Kira verliebt. Man sagt, wenn ein Mensch sich wirklich in eine
kitsune
verliebt, wenn er ihr selbstlos sein Herz gibt, kann die Hexe Mensch genug werden, um seine Liebe zu erwidern.« Er schaute auf das vergitterte Tor am Ende des Innenhofs. »Kira muss sie einst so sehr geliebt haben.«
»Ich ...« Mika biss sich auf die Lippe. »Ich dachte, wenn ein Mensch ›selbstlos sein Herz gibt‹, bedeutet das ein lebendiges, schlagendes Herz, das ihm aus der Brust gerissen wurde.« Sie schauderte und presste ihre Hand auf ihr Herz. Es war tröstlich, dass es noch immer schlug. Sie erinnerte sich an den Kuss des falschen Kai:
Es hatte sich angefühlt, als hätte die
kitsune
versucht, ihr den Atem und das Herz auszusaugen, um ihre Seele zu rauben
. »Doch warum sollte ein Dämon jemals menschliche Gefühle haben wollen?«
Kai zuckte mit den Schultern, stand erschöpft auf und mied ihren Blick. »Wer weiß.«
Sie sagte nichts und erinnerte sich daran, wie tief ihre eigene Seele von derselben Verderbnis in Mitleidenschaft gezogen worden war, die auch die seltenste vorstellbare Liebe zerstört hatte: die Liebe, die einst zwischen ihren Peinigern geherrscht hatte.
Kira hatte selbst diese mit seiner vergifteten Berührung zerstört
.
Und dann dachte sie an die vielen Male, als sie Kai angesehen hatte und sich ihre eigene Sehnsucht in den Augen des Mannes widergespiegelt hatte, den jeder um sie herum einen Dämon genannt hatte ...
Endlich wandte er sich ihr wieder zu. Ohne zu zögern, nahm sie seine Hände, die er ausgestreckt hatte, um ihr aufzuhelfen.
23
Oishi lief in dem leeren Raum im Kreis und zog eine Schiebetür nach der anderen auf. Hinter allen lag ein weiterer Raum mit Schiebetüren. Das Labyrinth hatte seine Auswahlmöglichkeiten vervielfacht, bis er keine logische Entscheidung mehr treffen oder auch nur raten konnte, durch welche Kira entkommen war. Ihm wurde klar, dass er es vielleicht nie hinausfinden würde ... und dass Kiras Wachen ihn wahrscheinlich aufspürten, bevor er Kira zu Gesicht bekam.
Frustriert schloss er seine Hand fest um den Griff seines Schwertes, bis Schmerz seinen Arm durchzuckte. Blut bedeckte seine Hand und lief an der Klinge des
katana
hinunter – sein Blut. Er war so auf die Verfolgung Kiras und die Abwehr von dessen Samurai fixiert gewesen, dass er den Schmerz von der Pfeilwunde bis jetzt nicht wahrgenommen hatte. Er trug
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