47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Eigentlich nicht. Aber unter dem Siegel des Dienstgeheimnisses will ich es Ihnen anvertrauen. Ich gehe zu Herrn von Bismarck.“
Der Stationsvorsteher trat einen Schritt zurück.
„Zu Bismarck!“ rief er, ganz und gar erschrocken.
„Ja.“
„Ich hoffe, daß da das fatale Vorkommnis nicht in Erwähnung genommen wird.“
„Nicht? Im Gegenteil! Ich muß es sehr ausführlich erwähnen.“
„Dürfte das nicht zu umgehen sein, Herr Kapitän?“
„Nein. Ich muß doch sagen, warum ich zu der anberaumten Konferenz nicht erscheinen kann.“
Jetzt war es dem Beamten, als ob er eine fürchterliche Ohrfeige erhalten hätte. Er blickte den Amerikaner ganz erstarrt an und fragte:
„Eine Konferenz!“
„Ja, eine wichtige diplomatische Konferenz, welche ich nun versäumen werde. Hätten Sie meine Legitimationen gelesen!“
„Mein Gott, ich bin verloren!“
„Das glaube ich auch; aber mich geht es ganz und gar nichts an.“
„Kommen denn der Herr Kapitän nicht noch zur rechten Zeit, wenn Sie den nächsten Zug benutzen?“
„Nein. Es war genau auf die Viertelstunde ausgerechnet.“
„Welch ein Malheur! Was ist da zu tun?“
„Gar nichts. Oder glauben Sie etwa, daß ich, um Ihre Dummheiten gut zu machen, einen Extrazug nehmen werde?“
Da atmete der geängstigte Mann tief auf.
„Einen Extrazug?“ fragte er. „Ah, das ginge! Das wäre das einzige Mittel, die verlorene Zeit wieder einzubringen.“
„Das ist freilich wahr; aber ich werde mich nicht dazu verstehen.“
„Darf ich fragen, warum?“
„Ihr ganzes Verhalten war eine einzige große Beleidigung gegen mich. Soll ich diese Beleidigung etwa noch belohnen? Soll ich sie etwa noch mit dem Preis für einen Extrazug bezahlen?“
„Herr Kapitän, das verlange ich ja gar nicht.“
„Nicht? Was denn?“
„Ich stelle Ihnen eine Maschine mit Wagen kostenfrei zur Verfügung.“
„Hm. Das ließe sich vielleicht überlegen.“
„Die Maschine bringt Sie, wenn Sie den Zug nicht eher erreichen, bis Magdeburg, wo Sie ihn dann sicherlich noch treffen.“
„Wann könnte es hier fortgehen?“
„Gleich allerdings noch nicht. Ich muß nach Mainz um die Maschine und den Wagen telegrafieren.“
„Eine verdammte Geschichte!“
„Sie können überzeugt sein, daß es mir ebenso unangenehm ist. Ich bitte ganz dringend, auf meinen Vorschlag einzugehen. Ich bedaure, einen Fehler begangen zu haben, aber Sie werden mir nicht die Gelegenheit versagen, ihn wieder gut zu machen.“
‚Geierschnabel‘ blickte ihm nachdenklich ins Gesicht. In seinen Zügen zuckte es eigentümlich. Er rieb sich die Nase, machte sodann ein pfiffiges und höchst vergnügtes Gesicht und fragte:
„Sagte dieser Graf nicht, daß er nach Berlin wolle?“
„Ja.“
„Fährt er über Magdeburg?“
„Bebra und Magdeburg.“
„Muß er in Magdeburg aussteigen?“
„Er wird aussteigen. Es ist ein längerer Aufenthalt da.“
„Und ich kann den Zug vor Magdeburg noch einholen?“
„Es kann eingerichtet werden, daß Sie ihn auf einer Nebenstation überholen.“
„So daß ich also eher in Magdeburg bin als der Graf?“
„Ja.“
„Gut. Ich gehe auf Ihren Vorschlag ein.“
„Sie erlauben also, daß ich telegrafiere?“ fragte der Mann erfreut.
„Ja.“
„Und werden die Güte haben, meinen Irrtum nicht zu erwähnen.“
„Na, ärgerlich war die Geschichte, doch, ich will sie hingehen lassen. Aber sagen Sie, haben Sie hohes Einkommen?“
„Nein.“
„Und der Extrazug ist teuer?“
„Ich werde leider sehr lange Zeit an den Folgen dieser Ausgabe zu leiden haben.“
„Hm. Es ist Ihnen schon recht, mich aber dauert es. Wie wäre es, wenn wir die Kosten untereinander teilten?“
Da klärte sich das Gesicht des Mannes blitzschnell auf.
„Herr, ist das wahr?“ fragte er.
„Ja. Was will ich denn weiter tun, wenn ich Sie nicht unglücklich machen will!“
„Ich danke Ihnen. Sie zeigen hier, daß Sie in Wahrheit ein Amerikaner sind.“
„Wieso?“
„Gentleman.“
‚Geierschnabel‘ fühlte sich geschmeichelt. Er machte abermals ein höchst pfiffiges Gesicht und sagte:
„Besser wäre es aber wohl, wenn ich sämtliche Kosten trüge?“
„So, daß ich gar nichts zu zahlen brauchte?“
„Ja.“
„Allerdings wäre mir das am allerliebsten, Herr Kapitän.“
„Na, da mag es sein. Ich zahle also alles.“
„Wirklich? Wirklich?“ beeilte sich der Beamte zu fragen.
„Ja. Ich mache aber die Bedingung, daß ich vor dem Grafen in Magdeburg
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