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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu unterhalten. Ich bin zur Fortsetzung bereit.“
    Er setzte sich mit größter Seelenruhe wieder nieder. Der Leutnant aber kochte förmlich. Seine Brust arbeitete mit aller Macht, seine Hand hatte sich krampfhaft geballt, und aus seiner Nase floß Blut. Er fand vor Aufregung keine Worte, er stöhnte nur, und es war ihm geradezu unmöglich, sich zu bewegen. Und als erst nach geraumer Zeit Sprache und Beweglichkeit wiedergefunden hatte, gab die Lokomotive das Zeichen, daß der Zug sich einer Station nähere.
    Ravenow flog an das Fenster und riß es auf.
    „Schaffner! Konduktor! Hierher, hierher“, brüllte er, trotzdem der Zug noch lange nicht im Stehen war.
    Die Räder rasselten, und die Hemmungen kreischten, der Train hielt.
    „Schaffner, hierher“, brüllte der Offizier abermals.
    Der Gerufene hörte dem Ton dieser Stimme an, daß hier Eile gewünscht werde. Er kam rasch herbeigesprungen und fragte:
    „Mein Herr, was wünschen Sie?“
    „Machen Sie auf und bringen Sie den Zugführer und den Vorstand dieser Haltestation!“
    Der Angeredete öffnete und Ravenow sprang hinaus. Die beiden gewünschten Herren kamen schleunigst herbei.
    „Meine Herren, ich habe ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen“, sagte Ravenow.
    „In welcher Angelegenheit?“ fragte der Zugsführer.
    „Hier zunächst meine Karte. Ich bin Graf Ravenow, Oberleutnant. Man hat mich hier in diesem Coupé überfallen.“
    „Ah! Wer?“ fragte der Stationsvorsteher.
    „Dieser Mensch!“
    Der Leutnant deutete bei diesen Worten auf ‚Geierschnabel‘, welcher behaglich in dem jetzt offenen Coupé saß und sich die Sonne in größter Gemütsruhe betrachtete.
    „Dieser Mann? Wie kommt der in ein Coupé erster Klasse?“
    Die beiden Bahnbeamten traten näher, um sich den Amerikaner genauer zu betrachten.
    „Wie kommen Sie hier herein?“ fragte in strengem Ton der Stationsvorsteher, welcher es übernommen zu haben schien, in dieser Angelegenheit das Wort zu führen.
    „Hm. Eingestiegen bin ich“, lachte ‚Geierschnabel‘.
    „Das versteht sich ganz von selbst. Aber Sie gehören doch nicht in dieses Coupé.“
    „So? Ah! Warum nicht?“
    „Haben Sie ein Billet erster Klasse?“
    „Das hat er“, bestätigte der Schaffner des betreffenden Wagens.
    „Auch nicht übel“, meinte der Vorsteher. „Solche Leute und erster Klasse. Herr Graf von Ravenow, darf ich Sie fragen, was sie unter dem Wort ‚überfallen‘ verstehen?“
    „Er ist über mich hergefallen und hat mich geschlagen.“
    „Ist das wahr?“ fragte der Inquirierende den Amerikaner.
    „Ja“, nickte dieser sehr freundlich.
    „Warum? Welchen Grund hatten Sie dazu?“
    „Er nannte mich zunächst einen Lump, sodann einen Hund und zuletzt gar eine Kanaille. Für jedes dieser Worte habe ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Haben Sie etwas dawider?“
    Der Vorsteher beachtete diese Frage nicht, sondern wandte sich an den vormaligen Leutnant:
    „Ist es wahr, daß Sie sich dieser Ausdrücke bedienten?“
    „Es fällt mir nicht ein, es zu leugnen. Sehen Sie den Menschen an. Soll ich mir etwa gefallen lassen, mit dergleichen Gelichter zusammenzutreffen, wenn ich erste Klasse bezahle?“
    „Hm! Ich kann Ihnen allerdings nicht widersprechen, denn –“
    „Oho“, unterbrach ihn ‚Geierschnabel‘. „Habe ich etwa nicht ganz dasselbe bezahlt?“
    „Das mag sein“, meinte der Vorstand achselzuckend.
    „Gehe ich zerrissen oder zerlumpt?“
    „Das grad nicht, aber ich meine –“
    „Oder bin ich mit einem häßlichen Gebrechen behaftet?“
    „Man sieht freilich nichts davon.“
    „Oder bin ich betrunken?“
    „Das müßte untersucht werden.“
    „Schön! Untersuchen Sie es. Ich bin neugierig, wie Sie das anfangen werden.“
    In diesem Augenblick gab der Maschinist durch einen kurzen Pfiff das Zeichen, daß die Zeit verflossen sei.
    „Meine Herren“, meinte da Ravenow, „ich höre, daß man fertig zum Abfahren ist. Ich verlange die exemplarische Bestrafung dieses frechen Menschen.“
    „Frech?“ rief ‚Geierschnabel‘. „Willst du eine vierte Ohrfeige?“
    „Ruhe“, gebot ihm der Stationsvorsteher. „Wenn Sie seine Bestrafung verlangen, so muß ich Sie ersuchen, die Reise zu unterbrechen, um Ihre Aussage zu Protokoll zu geben.“
    „Dazu habe ich keine Zeit. Ich muß zur bestimmten Zeit in Berlin sein.“
    „Das tut mir leid. Ich brauche Ihre Gegenwart.“
    „Soll ich eines obskuren und frechen Menschen meine kostbare Zeit opfern?“
    „Das ist allerdings

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