47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
bin.“
„Ich werde dafür sorgen, daß dies geschieht.“
„Und sodann verlange ich von Ihnen einige Zeilen.“
„Welchen Inhaltes?“
„Daß ich mich legitimiert habe und daß Sie infolge der Angaben des Grafen in Unannehmlichkeiten geraten sind.“
„Darf ich erfahren, welchen Gebrauch Sie mit diesen Zeilen machen wollen?“
„Der Graf wird mich in Magdeburg sehen und wohl von neuem Händel suchen. Ihre Zeilen sollen mir als Ausweis dienen, daß ich Ihnen nicht etwa entflohen bin.“
„Ich werde sie Ihnen schreiben, sobald ich die Depesche nach Mainz besorgt habe.“
„Tun Sie das. Nun Sie, Gendarm! Ich bin also entlassen?“
„Ganz und gar, Herr Kapitän“, antwortete der Polizist.
„So sind Sie unnütz bemüht worden.“
Der Mann zuckte die Achsel und meinte:
„Das muß man sich gefallen lassen.“
„Wirklich? Na, weil Sie sich so guten Mutes darein finden, will ich Ihnen diese Stimmung nicht verderben. Hier, nehmen Sie.“
Er griff in die Tasche, langte zwei Talerstücke hervor und reichte sie ihm hin. Der also Beschenkte bedankte sich auf das höflichste und verließ dann mit dem Stationsvorstand, welcher die Depesche besorgen wollte, das Zimmer. Draußen blieben die beiden noch einige Minuten beieinander stehen.
„Eine eigentümliche Geschichte“, meinte der Gendarm.
„Und ein eigentümlicher Kerl“, flüsterte der Bahnbeamte.
„Sie konnten da in bedeutende Verlegenheit kommen.“
„Das ist richtig. Aber der Teufel mag es diesem Mann ansehen, daß er eine so wichtige Persönlichkeit ist!“
„Hm, dieser Frack!“
„Dieser Hut!“
„Diese Weste!“
„Lederhosen!“
„Ein Leinwandsack!“
„Eine alte Posaune! Unbegreiflich!“
„Aber Geld muß er haben, und zwar nicht wenig!“
„Das versteht sich ganz von selbst. Aber begreifen kann ich nicht, daß er in einem solchen Habit läuft.“
„Hm, ich habe einige amerikanischen Reisen gelesen und dabei erfahren, daß diese Präriejäger auf Kleider gar nichts geben. Sie pflegen im Gegenteil ihr Äußeres oft absichtlich zu vernachlässigen.“
„Das wäre vielleicht eine Erklärung. Ein gutes Gemüt aber hat dieser Kapitän auf alle Fälle. Ich hätte nicht geglaubt, daß er die bedeutenden Kosten auf sich nehmen würde.“
Ja, ein gutes Gemüt hatte ‚Geierschnabel‘ allerdings. Und der Gedanke, dem Grafen zuvorzukommen und ihn zu verblüffen, hatte etwas so Erfreuliches, daß der alte, brave Jäger sich leicht dazu entschloß, die Kosten dieser Unterhaltung auf sich zu nehmen.
Eine Stunde später kam die verlangte Maschine an. ‚Geierschnabel‘ stieg abermals in ein Coupé erster Klasse, dieses Mal aber nicht von einem ‚Donnerwetter‘ empfangen; dann rasselte der kurze Train zum Bahnhof hinaus.
Es war schon längst Nacht, als der Zug in welchem Ravenow fuhr, Börsum erreichte. Hier gab es einige Minuten Aufenthalt. Ravenow hatte es sich sehr bequem gemacht und sich sogar eine Zigarre angebrannt. Da ertönte draußen der Ruf:
„Magdeburg, erster Klasse!“
„Verdammt“, murmelte Ravenow. „Nun ist es aus mit dem Rauchen.“
Er stand bereits im Begriff, die Zigarre aus dem Fenster zu werfen, als das Coupé geöffnet wurde und sein Blick auf den Einsteigenden fiel. Er behielt die Zigarre in der Hand.
„Guten Abend“, grüßte der neue Passagier.
„Alle Teufel! Guten Abend, Herr Oberst“, antwortete Ravenow.
Der neu Angekommene fixierte den Sprecher schärfer und fragte dann:
„Sie kennen mich, mein Herr.“
„Natürlich. Donnerwetter, ich hoffe nicht, daß Sie mich verleugnen wollen.“
„Verleugnen? Keineswegs. Mit wem habe ich die Ehre?“
Ravenow wußte gar nicht, was er denken sollte.
„Was! Sie kennen mich nicht?“ fragte er.
„Leider, nein.“
„Das ist unmöglich.“
„Ich besinne mich wirklich nicht.“
„Das ist stark, das ist unbegreiflich. Verlangen Sie wirklich, daß ich Ihnen meinen Namen sage?“
„Ich ersuche Sie um diese Gefälligkeit.“
„Da stehen mir weiß Gott die Haare zu Berge. Sollte Ihr Gedächtnis oder vielmehr Ihr Auge während dieser Zeit so schwach geworden sein?“
Der Oberst zog ein etwas befremdetes Gesicht.
„Ich wüßte nicht, daß ich über mein Auge oder Gedächtnis zu klagen hätte“, meinte er, ein wenig pikiert.
Das Coupé war geschlossen worden, der Zug hatte sich in Bewegung gesetzt. „Nun, dann müßte es an mir liegen“, meinte Ravenow. „Sollte ich mich so sehr verändert haben?“
„Möglich“, lächelte der
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