47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
er mich anzeigen, anstatt mich zu beschimpfen, wenn er wirklich meinte, daß ich nicht in sein Coupé gehörte.“
„Sie scheinen allerdings nicht in die erste Klasse, sondern viel eher in die vierte zu gehören.“
„Himmeldonnerwetter! Wollen Sie es ebenso machen wie dieser ehrenhafte Graf, so dürfen Sie sich auch nicht beklagen, wenn ich Sie ebenso behandle wie ihn.“
„Ah! Meinen Sie etwa Ohrfeigen?“
„Ich meine gar nichts; aber ich will Ihnen sagen, daß bei mir Wort und Hieb zusammenzufallen pflegt. Mich hat man arretiert und den wirklichen Schuldigen mit großen Komplimenten entlassen. Aber wir wollen sehen, ob ich einem Leutnant nachzustehen brauche. Wissen Sie, wer und was ich bin?“
„Das werde ich schon erfahren“, meinte der Polizist. „Haben Sie Legitimation bei sich?“
„Das versteht sich. Ich habe mich bereits dem Herrn Stationsvorsteher legitimieren wollen, er aber hat es mir nicht erlaubt. Den Schaden wird er natürlich zu tragen haben.“
„So zeigen Sie her!“
‚Geierschnabel‘ zog alle die Dokumente hervor, welche er bereits dem Polizeikommissar zu lesen gegeben hatte. Der Gendarm las sie durch und sein Gesicht wurde dabei immer länger. Als er fertig war, sagte er:
„Himmelelement, ist das eine verdammte Geschichte!“
„Was?“ fragte der Stationsvorsteher neugierig.
„Dieser Frack und dieser verdammte Anzug können einem irre machen. Wissen Sie, Herr Vorsteher, was dieser Herr ist?“
„Nun?“
„Zunächst Präriejäger und dabei amerikanischer Offizier, nämlich Kapitän.“
„Unmöglich!“
„Nein, wirklich! Mein bißchen Schulfranzösisch reicht geradezu, um diese anderen Papiere passabel zu entziffern. Der Herr Kapitän ist Gesandter des Präsidenten Juarez von Mexiko.“
Der Bahnbeamte erbleichte.
„Wirklich?“ fragte er. „Sind diese Papiere denn richtig?“
„Das versteht sich. Und da ist noch eine Empfehlung des Herrn von Magnus, welcher preußischer Geschäftsträger in Mexiko ist.“
„Wer hätte das gedacht!“
Die beiden Männer blickten einander ganz fassungslos an.
„Na, wie steht es nun?“ fragte ‚Geierschnabel‘.
„Aber, mein Herr, warum kleiden Sie sich in dieser Weise!“ rief der Stationsvorsteher.
„Darf ich mich etwa nicht kleiden, wie es mir beliebt?“
„O doch. Aber Ihr Gewand ist schuld, daß wir Sie für etwas ganz anderes gehalten haben, als Sie sind.“
„Mein Gewand? Pah! Suchen Sie keine Entschuldigung. Nicht mein Gewand ist schuld, sondern Sie selbst haben sich anzuklagen.“
„Ich wüßte nicht, weshalb.“
„Ich habe Ihnen angeboten, mich zu legitimieren. Sie haben mir das nicht erlaubt; das ist die Schuld. Was wird nun geschehen?“
„Sie sind natürlich frei“, sagte der Gendarm.
„Trotzdem ich den Leutnant geohrfeigt habe?“
„Ja. Es ist das eine gegenseitige Beleidigung, welche nur auf Antrag bestraft wird. Der Graf mag diesen Antrag stellen; mich geht das nichts an.“
„So. Hm. Das ist interessant! Weil ich Offizier und so weiter bin, läßt man mich laufen, wäre ich das nicht, so hätte man mich eingesperrt, weil der hochgnädige Graf es haben wollte. Der Teufel hole diese liebenswürdige Art der Gerechtigkeit!“
„Entschuldigung, Herr Kapitän“, meinte der Bahnbeamte. „Der Graf sagte, Sie hätten ihn angefallen.“
„Was weiter?“
„Daraus mußte ich schließen, daß es sich um einen strafbaren Angriff handle.“
„Unsinn! Er hat zugegeben, daß meine Ohrfeigen nur die Antworten auf seine Beleidigungen seien.“
„Aber Ihr Äußeres! Ihre Posaune!“
„Schweigen Sie! Meine Posaune hat hierbei gar nichts verschuldet. Wissen Sie überhaupt, ob der Mensch, welchen ich geohrfeigt habe, wirklich Graf von Ravenow ist, für den er sich ausgab?“
„Natürlich.“
„So? Inwiefern denn?“
„Er hat sich ja legitimiert.“
„Davon weiß ich nichts.“
„Er gab mir seine Karte.“
„Donnerwetter! Meine Legitimationen wurden gar nicht angesehen und die Karte dieses Menschen hatte Geltung. Eine solche Karte kann sich jeder Schwindler anfertigen lassen. Ihre Unvorsichtigkeit wird Ihnen noch ganz bedeutend zu schaffen machen!“
Der Bahnbeamte erschrak.
„Ich hoffe, daß der Herr Kapitän sich mit meiner Bitte um Verzeihung zufrieden gibt“, sagte er.
„Zufrieden? Ich? Na, meinetwegen! Ich bin einmal eine alte, gute Seele. Wie aber andere die Sache aufnehmen werden, da weiß ich nicht.“
„Andere? Darf ich fragen, wer da gemeint ist?“
„Hm.
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