47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
er auf einem kleinen Floß stromab geschwommen ist.“
„So mag das richtig sein, was mein Steuermann erzählte, nämlich, daß seine eigenen Leute sich seiner entledigt haben.“
„So mag er einige sehr böse Stunden erlebt haben. Es ist kein Spaß, blind auf einem Floß schwimmen zu müssen.“
„Sie nehmen also an, daß er wirklich erblindet ist?“
„Jetzt wenigstens, ja. Hätte er nur ganz wenig zu sehen vermocht, so wäre es ihm gar nicht eingefallen, das Tuch zurückzulassen. Es ist ihm auf irgendeine Weise vom Kopf geglitten, und er konnte es nicht finden.“
„Aber was dann?“
„Sein kleines, aus Schilf erbautes Floß wurde an das Ufer getrieben. Er fühlte Boden und schlich an das Land, wo er im Schilf gefunden wurde.“
„Von wem?“
„Von dem Jäger, welcher uns heute begegnete, Señor Juarez.“
„Ah, von diesem. Da sind unsere Apachen leider zu spät gekommen.“
„Ja, leider; denn dieser Jäger ist mit ihm, wie es scheint, in südlicher Richtung davongeritten.“
„Das ist ja immer noch vorteilhaft. Er ist ja im Land geblieben. Wäre er aber an das andere Ufer, also nach Texas gegangen, so hätten wir die Macht über ihn verloren. Haben Sie eine Ahnung, wohin er gegangen ist?“
„Ja“, antwortete Sternau.
„Ah! Wohin?“
„Nach der Hacienda del Erina.“
„Warum dorthin?“
„Weil seine Tochter dort ist. Er befindet sich als Erblindeter in einem sehr hilflosen Zustand und muß nun vor allen Dingen darauf bedacht sein, zu Leuten zu gelangen, denen er Vertrauen schenken kann. Da steht seine Tochter natürlich obenan.“
„Sie glaubten, daß dieser Jäger ihn nach der Hacienda bringt?“
„Ja.“
„Was sollte derselbe für ein Interesse dabei haben?“
„Cortejo wird ihm eine hohe Belohnung versprochen haben.“
„Das ist wahrscheinlich. Möglich ist es aber auch, daß die beiden sich zufälligerweise bereits kennen.“
Da machte Sternau eine Gebärde der Überraschung.
„Diese Ansicht bringt mich auf einen plötzlichen Gedanken“, sagte er. „Können Sie sich besinnen, Señor Juarez, welche Antwort der Jäger gab, als wir ihn nach seinem Namen fragten?“
„Ja. Er sagte, er heiße Grandeprise.“
„Und ein Grandeprise ist der Verbündete von Cortejo.“
„Sie meinen den schwarzen Kapitän?“ fragte der Lord.
„Ja. Er hieß ja wohl ursprünglich Grandeprise. Sein Piratenschiff war der ‚Lion‘. Jetzt nennt er sich Henrico Landola.“
„Sie meinen, daß er mit diesem Jäger verwandt sei?“
„Es ist dies immerhin möglich. Der Name Grandeprise kommt nicht so häufig vor.“
„So müßte man sich beeilen, die beiden in die Hände zu bekommen. Was für Maßregeln haben Sie getroffen?“
„Ich habe einige Apachen auf ihre Spur geschickt. Diese Leute sollen sich überzeugen, ob diese Fährte nach der Richtung von Saltillo führt, und mir dann Nachricht nach Cohahuila bringen.“
„Wäre es nicht besser gewesen, anstatt dieser bloßen Kundschafter den beiden Kerls eine Schar Verfolger nachzusenden?“
„Warum halten Sie dies für besser?“
„Weil wir dann Cortejo schnell in unsere Hände bekommen hätten.“
„Sie irren sich. Zunächst müßte die Verfolgung mit Anbruch der Nacht eingestellt werden. Grandeprise aber wird die Nacht benutzen, um einen möglichst großen Vorsprung zu bekommen.“
„Waren seine Pferde so gut?“
„Er reitet die ganze Nacht hindurch und nimmt sich von der erstbesten Herde neue Pferde. Die Verfolger würden ihn nicht erreichen.“
„Aber wollen wir Cortejo entkommen lassen?“
„Nein. Allerdings ist es nur auf der Hacienda möglich, ihn festzuhalten. Das können wir nun freilich ohne die Hilfe Señor Juarez nicht.“
„Was wünschen Sie?“ fragte der Präsident.
„Aus dem aufgefangenen Brief von Cortejos Tochter geht hervor, daß sich in der Hacienda eine zahlreiche Truppe von Cortejos Anhängern festgesetzt hat. Wir brauchen also Mannschaften, Señor.“
„Wieviel?“
„Wer weiß das, ich weiß nicht, wie stark die Besatzung der Hacienda ist.“
„So lassen Sie uns sehen, wieviele Leute ich entbehren kann. Ich werde mein möglichstes tun. Die Hacienda ist ein wichtiger Punkt, da sie in der Nähe des großen Verkehrsweges zwischen Süden und Norden liegt. Sie und Cortejo in meine Gewalt zu bringen, bin ich also zu jeder Anstrengung bereit. Ich denke, es wird gut sein, möglichst bald hier aufzubrechen, damit wir schnell wieder nach Cohahuila kommen.“
„Wir müssen leider die Boote
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