47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
kehrten zu den Pferden zurück, stiegen auf und ritten den Berg hinab, wo sie links umbogen und nach einer halben Stunde in eine Schlucht gelangten, deren Eingang fast ganz von Büschen verdeckt war.
„Hier werden wir warten“, sagte ‚Büffelstirn‘.
Sie ritten bis an den hinteren Teil der Schlucht, banden ihre Pferde an und lagerten sich in das Moos. Ihre halblaute Unterhaltung bezog sich natürlich auf die bevorstehenden Ereignisse, dann suchten sie den Schlaf.
Die Nacht verging und ebenso der Tag in tiefster Ruhe. Ungefähr um sechs Uhr wurde es dunkel, doch wartete ‚Büffelstirn‘ noch zwei Stunden, ehe er zum Aufbruch mahnte. Sie bestiegen ihre Pferde und ritten fort.
Als sie an die Stelle gelangten, welche nach oben führte, vernahmen sie erst vor sich und dann auch hinter sich Pferdegetrappel.
„Wer reitet da?“ fragte Helmers leise.
„Mein Bruder, sorge dich nicht“, antwortete ‚Büffelstirn‘. „Es sind die Söhne der Mixtekas, welche meinem Ruf folgen.“
Als sie oben anlangten, herrschte dort eine außerordentliche Ruhe, aber um den Teich der Krokodile konnte man, zwar undeutlich nur, Menschen und Pferde Kopf an Kopf erkennen. Sie waren gekommen, um zu erfahren, was das Feuersignal zu bedeuten habe.
„Mein Bruder wird laut sprechen müssen“, meinte Sternau; „denn zu diesen vielen kann er nicht leise und einzeln reden. Aber wenn er laut spricht, so ist es sehr leicht möglich, daß ihn ein Feind mithört, der sich eingeschlichen haben kann.“
„Es kann kein Feind in der Nähe sein!“
„Warum?“
„Diejenigen Söhne der Mixtekas, die in der Nähe wohnen, sind bereits seit dem frühen Morgen hier, um den Berg zu durchsuchen und zu bewachen. Hat mein Bruder nicht bemerkt, daß ich ein Stück weiter unten mein Pferd steigen und sich auf den Hinterhufen drehen ließ?“
„Ja.“
„So tut ein jeder. Das ist das Zeichen, an dem die Mixtekas sich erkennen. Wer dieses Zeichen nicht gibt, wird festgehalten und, wenn er ein Feind ist, den Krokodilen vorgeworfen.“
„Warum hat man da uns andere nicht festgehalten?“
„Ihr seid mit mir gekommen, und ich habe der Wache das Zeichen gegeben. Meine Brüder mögen mit nach dem Teich kommen.“
Sie gelangten zwischen den Indianern hindurch bis an das Ufer des Teiches. Dort hielt der Häuptling ohne abzusteigen an und rief mit lauter Stimme:
„Ila! Na atui!“
Das heißt auf deutsch: „Ruhe, ich will sprechen!“
Ein leises Waffengeräusch ließ sich hören, dann fragte eine andere Stimme: „Payu omi – Wer bist du?“
„Na Mokaschi-motak – ich bin ‚Büffelstirn‘!“
„Mokaschi-motak!“ so ging das Wort ringsum von Mund zu Mund. Es war trotz der Dunkelheit zu bemerken, welches ungeheure Aufsehen dieser Name machte. Die vorherige Stimme ließ sich hören:
„‚Büffelstirn‘, der Häuptling der Mixtekas ist tot.“
„‚Büffelstirn‘ lebt. Er wurde von seinen Feinden gefangen gehalten und ist jetzt zurückgekehrt, um sich zu rächen. Wer hat mit mir gesprochen?“
„Das ‚Wiehernde Pferd‘“, lautete die Antwort.
„Das ‚Wiehernde Pferd‘ ist ein großer Häuptling; er ist der erste Mann nach ‚Büffelstirn‘ und wird bisher die verlassenen Kinder der Mixtekas befehligt haben. Er komme mit einer Fackel herbei, um mich zu sehen!“
Einige Augenblicke später sah man den Schein einer Fackel aufleuchten, und mehrere Männer drängten sich durch die Menge mit ihr bis zum Häuptling hindurch. Einer von ihnen, in die Tracht eines Büffeljägers gekleidet, gerade so, wie sie ‚Büffelstirn‘ früher getragen hatte, hielt dem Häuptling die Fackel nahe und blickte ihm in das Gesicht.
„Mokaschi-motak!“ rief er dann laut. „Freut euch, ihr Söhne der Mixtekas! Euer König ist zurückgekehrt. Schwingt eure Messer und Tomahawks, um ihn zu rächen!“
„Ugh!“
Nur dieses eine Wort wurde gehört; es brauste um den Teich herum; dann wurde es wieder still. Jetzt erhob ‚Büffelstirn‘ abermals die Stimme:
„Die Wächter mögen sagen, ob wir hier sicher sind!“
„Es ist kein fremder hier, außer vier Männern, welche mit einem Mixtekas gekommen sind!“ rief es von weitem her.
„Ich selbst war es, mit dem sie kamen. Wieviele Männer wurden gezählt?“
„Elf mal zehn mal zehn und vierzig und zwei.“
Der Indianer ist nämlich nicht gewöhnt, größere Summen durch eine einzige Zahl auszudrücken. Es waren also elfhundertzweiundvierzig Indianer da.
„Meine Brüder mögen hören!“
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