47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
„bedenkt, wo Ihr Euch befindet.“
„Auf der Hacienda del Erina, denke ich.“
„Ja; das heißt, im Hauptquartier meines Vaters.“
„Ihr wollt mir bange machen?“ lächelte er.
„Es bedarf nur eines Wortes von mir, so seid Ihr mein Gefangener.“
„Da irrt Ihr Euch. Ich will Euch mitteilen, daß Juarez im Anzug ist. Euer Possenspiel hat heute seinen Schluß erreicht.“
„Pah! Noch ist Juarez nicht da.“
„Aber ich befinde mich hier. Das ist ebensogut. Oder glaubt Ihr etwa, daß ich zu Euch komme, ohne zu wissen, daß ich sicher bin? Die Hacienda ist von über tausend Mixtekas umzingelt. Jetzt ist das Verhältnis umgekehrt: Mich kostet es ein Wort, so seid Ihr meine Gefangene. Oder vielmehr, es kostet mich kein Wort, denn Ihr seid es ja schon.“
„Noch nicht!“ rief sie.
Im Angesicht dieser großen Gefahr war sie die alte. Sie schnellte trotz ihrer Schmerzen von der Hängematte herab, riß eine Pistole vom nahestehenden Tisch und drückte sie auf Sternau ab, zu gleicher Zeit laut um Hilfe schreiend. Der Schuß ging fehl, denn Sternau hatte sich blitzschnell zur Seite gewendet. Im nächsten Augenblick lag sie unter den Händen von Helmers am Boden. In demselben Augenblick ertönte aber auch rund um die Hacienda ein fürchterliches Geheul. Die Mixtekas hatten den Schuß gehört und für das verabredete Zeichen gehalten. Sternau sprang nach der Tür.
„Sie kommen“, sagte er. „Halten Sie dieses Weib fest und schließen Sie sich lieber mit ihr ein. Ich muß hinunter zu Arbellez.“
Er eilte hinaus. Das Innere des Hauses glich einem Ameisenhaufen. Überall drängten sich die Mexikaner nach unten. Sie waren so überrascht, so erschreckt, daß sie seine Gegenwart gar nicht beobachteten. Er drängte sich mit ihnen hinab und gelangte noch eine Treppe weiter hinunter nach dem Keller. Dort brannte eine trübe Lampe. Ein Mann stand an der Tür Wache.
„Wer befindet sich darin?“ herrschte Sternau ihn an.
„Arbellez und –“
„Wo ist der Schlüssel?“ unterbrach ihn der Deutsche.
„Eigentlich oben bei der Señorita.“
„Eigentlich –? Jetzt aber ist er hier, soll das heißen?“
„Ja.“
„Gib ihn heraus!“
Der Mann machte ein erstauntes Gesicht, blickte ihn forschend an und fragte: „Wer seid Ihr? Was ist das für ein Lärm da oben?“
„Ich bin einer, dem du zu gehorchen hast, und der Lärm da oben geht dich gar nichts an. Heraus mit dem Schlüssel!“
„Oho! So schnell geht das nicht. Euren Namen will ich wissen! Es hat mir noch niemand gesagt, daß ich Euch zu gehorchen habe. Ich kenne Euch nicht!“
„Du sollst mich sogleich kennenlernen!“
Bei diesen Worten holte Sternau aus und versetzte ihm einen Faustschlag, unter welchem er zusammenbrach. Der Deutsche untersuchte die Taschen des Mannes und fand einen Schlüssel, welcher paßte. In Zeit von einer Minute war die Tür geöffnet. Sternau nahm die Lampe und leuchtete in den Raum.
Es bot sich ihm ein schrecklicher Anblick.
Auf den kalten, nassen Steinplatten lagen drei Personen, halb übereinander, denn es war kaum Platz für zwei Menschen vorhanden. Lang ausgestreckt nahm der Vaquero die Länge des Bodens ein. Auf seinem Oberleib ruhte die alte, treue Marie Hermoyes, und teils auf ihr und teils auf ihm ruhte Pedro Arbellez, umwunden von den Fetzen, welche diese beiden aus ihren Kleidungsstücken gerissen hatten.
In einer Ecke lagen ein Lichtstummel und ein Stückchen trockenen Brotes. „Ist Señor Arbellez hier?“ fragte Sternau.
„Ja“, antwortete der Vaquero, sich des Verwundeten wegen leise und vorsichtig emporrichtend, um den Frager anzusehen.
„Wo ist er? Welcher ist es?“
Bei diesen Worten leuchtete Sternau zu der Gruppe nieder. Dabei fiel der Schein der Lampe auf sein Gesicht. Der Vaquero erkannte ihn.
„O Gott! Das ist Señor Sternau! Wir sind gerettet!“ rief er aus.
„Ja, mein braver Antonio, ihr seid gerettet. Wie steht es mit dem Señor?“
„Er lebt. Wir haben ihn verbunden. Er kann nur ganz leise sprechen. Habt Ihr gehört, was mit ihm geschehen ist?“
„Ja.“
„Fluch dieser Josefa Cortejo!“
„Die Schuldigen werden ihre Strafe erhalten. Also gehen kann Señor Arbellez?“
„Daran ist nicht zu denken!“
„Nun, so mag Euch noch für wenige Minuten das Bewußtsein genügen, daß Ihr frei seid. Ich lasse die Tür offen, damit Ihr frische Luft erhaltet; ich muß wieder nach oben, werde Euch aber in kurzer Zeit holen. Bleibt einstweilen bei dem Señor zurück.“
„O
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