47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
ergriffen.
„Halt!“ gebot dieser. „Wir müssen diesen Mann erst hören.“
Der Mixteka wendete sein von der Aufregung des Kampfes verzogenes Gesicht dem Störer zu und sagte:
„Was geht es dich an! Ich habe diesen Mann niedergeworfen und besiegt; sein Leben ist mein Eigentum!“
„Wenn er das wirklich getan hat, was er sagt, so verdient er Gnade.“
„Ich habe ihn überwunden, und er soll sterben!“
Da zog Sternau seinen Revolver, ließ die Hand des Mixtekas los und sagte: „Stich zu, wenn du es wagst, ihn gegen meinen Willen zu töten!“
Dabei richtete er den Lauf seiner Waffe gegen ihn. Der Indianer konnte sich dem Eindruck von Sternaus Persönlichkeit nicht entziehen.
„Du drohst mir, deinem Verbündeten?“ fragte er.
„Ja. Tötest du ihn, so bist auch du eine Leiche.“
„Gut. Ich werde mit ‚Büffelstirn‘ sprechen!“
„Tu das; aber versuche nicht, gegen meinen Willen zu handeln!“
Der Mixteka ließ von dem Mexikaner ab und ging zu seinem Häuptling. Sternau beachtete das nicht, sondern wendete sich zu dem Mann, der noch immer blutend am Boden lag, aber wenigstens von der unmittelbaren Todesgefahr errettet.
„Du sagst, du habest die Gefangenen gespeist?“ fragte er.
„Ja, Señor“, antwortete der Gefragte. „Ich danke Euch, daß Ihr diesem Indianer Einhalt gebotet! Ich wäre verloren gewesen.“
„Welche Gefangenen meinst du?“
„Die drei, welche unten im Keller liegen. Ich habe ihnen täglich durch ein Loch Brot, Wasser und Licht hinabgelassen.“
„Warum?“
„Einer meiner Kameraden, welcher mit Cortejo fortgehen mußte, bat mich darum. Ich hoffe, daß Ihr das berücksichtigt, Señor.“
Sternau ahnte, daß der genannte Kamerad jedenfalls der Mexikaner sei, welchem das Gesicht des Haziendero immer erschien und welcher, im Wald am Rio Grande sterbend, noch mit seinen letzten Worten gesagt hatte, daß er den Gefangenen Wasser und Brot gegeben habe.
„Gut“, sagte er. „Du sollst leben. Wie steht es mit deinen Wunden?“
„Ich weiß es nicht, Señor.“
Sternau untersuchte ihn schnell; das Ergebnis war kein schlimmes.
„Du bist nicht gefährlich verletzt; der Blutverlust hat dich geschwächt. Ich werde dich verbinden.“
Er tat dies, so schnell es in der Eile gehen wollte und vertraute ihn dann der Obhut der beiden Mixtekas ab, welche mit den Fackeln im Hausflur standen. Er war überzeugt, daß man seinen Befehl, diesem Mann nichts zu tun, respektieren werde.
Während sich diese Szene abspielte, war auch der Kampf beendet. Die letzten im Hof befindlichen Mexikaner waren tot. Nur draußen im freien Feld hörte man hie und da noch einen vereinzelten Schuß fallen. ‚Bärenherz‘ trat zu Sternau, welcher beobachtend am Eingang stand.
„Der Sieg ist unser“, meldete er in seiner einfachen, wortkargen Weise.
„Sind Feinde entkommen?“ fragte Sternau.
„Ja.“
„Viele?“
„Nur einige.“
„Man mag sie immerhin entwischen lassen. Die Rache ist blutig genug ausgefallen.“
„Lebt Señor Arbellez?“
„Ja. Wir wollen hinab zu ihm.“
Auch ‚Büffelstirn‘ trat herzu. Er erwähnte kein Wort darüber, daß Sternau einen der Feinde in Schutz genommen hatte. Die drei begaben sich nach dem Keller, wo sie die befreiten Gefangenen unter dem Schutz der Mixtekas fanden, welche Sternau hinabgesandt hatte.
‚Büffelstirn‘ kniete neben Arbellez nieder.
„Kennt Ihr mich, Señor?“ fragte er.
Der Haziendero nickte.
„Wer hat Euch schlagen lassen? Die Tochter des Cortejo?“
Ein zweites Nicken diente als Antwort.
„Leidet Ihr große Schmerzen?“
Der Verwundete antwortete durch ein leises Stöhnen, welches mehr sagte als viele Worte. Er mußte Fürchterliches ausgestanden haben.
„Es sind viele der braven Mixtekas im Kampf verletzt worden“, sagte Sternau; „aber Señor Arbellez soll der erste sein, welchem ärztliche Hilfe zuteil wird. Tragen wir ihn hinauf in ein ruhiges Zimmer.“
„Er soll von mir gepflegt werden“, meinte Marie Hermoyes. „Ich werde nicht ruhen, bis seine Wunden wieder geheilt sind.“
Sternau eilte voraus, um ein passendes Zimmer auszusuchen, in welches der Haziendero getragen wurde. Als Sternau ihn untersuchte, stellte es sich heraus, daß die Lappen, mit denen er verbunden worden war, fest an seinen Wunden klebten. Sie mußten langsam und vorsichtig losgeweicht werden. Dann erst sah man, wie geradezu teuflisch er mißhandelt worden war. Er mußte fürchterliche Schmerzen ausgestanden haben.
Als er von
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