48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
eingehüllt war, so konnte er sich nahe genug an seinen Vordermann halten, um diesen nicht aus den Augen zu verlieren. Weil es aber doch möglich war, daß der Mexikaner einmal stehenbleiben und sich umdrehen konnte, so hielt Kurt sich für diesen Fall bereit, sich augenblicklich niederzuwerfen, um nicht bemerkt zu werden.
So ging es durch einige Türen, welche Manfredo offenließ. Sie schritten durch mehrere feuchte Felsengänge, ohne daß es dem Mexikaner ein einziges Mal eingefallen wäre, sich umzudrehen. Der Gang, in dem sie sich nun befanden, hatte mehrere Türen. Vor einer derselben blieb Manfredo stehen. Er schob zwei starke, eiserne Riegel zurück und öffnete das Schloß mit einem seiner Schlüssel. Dann trat er ein.
War dort ein neuer Gang oder gab es hinter dieser Tür ein Gefängnis? So fragte sich Kurt. Im ersteren Fall mußte er rasch folgen, im letzteren aber zurückbleiben.
Er horchte. Ah, er hörte sprechen. Diese Tür hatte also einen Kerker verschlossen. Leise schlich er näher. Niemand hörte ihn. Er wagte es, den Kopf ein wenig vorzustrecken und blickte in ein viereckiges Gefängnis, an dessen Mauern mehrere Personen gefesselt waren. Manfredo stand in der Mitte des Raumes und hatte seine Laterne in eine Ecke gestellt. Sie erhellte das Gefängnis so ungenügend, daß es unmöglich war, die Züge der Gefangenen zu erkennen. Manfredo sprach mit einem derselben.
„Es gibt einen Weg, Euch zu retten“, hörte Kurt ihn sagen.
„Welchen?“ fragte eine Stimme aus dem Hintergrund.
„Könnt Ihr das nicht erraten?“
„Nein.“
„Ich will ihn Euch sagen. Ihr wißt, daß dieser Mariano hier Euer wirklicher Neffe ist?“
„Ja.“
„Und daß der jetzige Graf Alfonzo nur der Sohn von Gasparino Cortejo ist?“
„Ja.“
„Nun, so stelle ich zwei Bedingungen. Erfüllt Ihr diese, so seid Ihr alle frei.“
„Wir wollen sie hören.“
Der alte Graf Ferdinande war es, welcher sprach. Der Neffe des Paters fuhr fort:
„Zunächst erklärt Ihr diesen Alfonzo für einen Betrüger und laßt ihn und seine Verwandten bestrafen.“
„Dazu bin ich natürlich bereit.“
„Sodann aber muß Mariano entsagen, und Ihr erkennt mich als den Knaben an, welcher geraubt und verwechselt wurde.“
Ein Schweigen des Erstaunens folgte.
„Nun, Antwort!“ gebot der Mexikaner.
„Ah“, sagte Don Ferdinande, „so wollt wohl gar Ihr Graf von Rodriganda werden?“
„Ja“, antwortete der Gefragte im Ton der unverschämtesten Offenheit. „Das ist meine Bedingung.“
„Ich gehe sie niemals ein.“
„So bleibt Ihr gefangen bis an Euer Ende.“
„Gott wird uns erretten.“
„Pah, das kann er nicht. Ich gebe Euch eine halbe Stunde Bedenkzeit, bis ich Euch Brot und Wasser bringe. Sagt Ihr dann nicht ja, so erhaltet Ihr weder Trank noch Speise und müßt elend verschmachten!“
„Gott wird uns rächen!“
„Don Ferdinande, sprecht nicht mit diesem Buben!“ klang eine tiefe Stimme von der Seite her.
Es war als ob Kurt augenblicklich vorstürzen solle. Diese Stimme kannte er. Er hätte sie an jedem Ort, in jedem Verhältnis wiedererkannt. Es war die Stimme seines einstigen Lehrers, die Stimme Sternaus.
„Was?“ rief Manfredo. „Einen Buben nennst du mich! Hier hast du deinen Lohn!“
Er trat zu dem Gefesselten und holte zum Schlag aus, kam aber nicht dazu, denn sein erhobener Arm wurde ergriffen. Er drehte sich im höchsten Grad erschrocken um und sah zwei blitzende, zornsprühende Augen und die Mündung eines Revolvers auf sich gerichtet. Die Blässe eines tödlichen Schreckens bedeckte sein Gesicht.
„Wer ist das? Was wollt Ihr hier?“ fragte er vor Angst stammelnd.
„Das wirst du sogleich hören!“ antwortete Kurt. „Nieder mit dir auf die Knie!“
„Wer – wer – was –“, wiederholte der Erschrockene.
„Nieder auf die Knie!“ wiederholte Kurt.
Und als Manfredo nicht sogleich gehorchte, riß er ihn an dem Ann, den er noch gefaßt hielt, zum Boden nieder.
„Komm mein Bursche, wir wollen dich sicher nehmen!“
Bei diesen Worten nahm er sich den Lasso von den Hüften und schlang ihn um den Leib und die Arme des Kerkermeisters. Dieser war mit keiner Waffe versehen; aber selbst wenn er eine solche bei sich gehabt hätte, wäre er doch vor Erstarrung momentan unvermögend gewesen, sie zu gebrauchen. Als er so gebunden war, daß er sich nicht rühren konnte, gab Kurt ihm einen Fußtritt, daß er vollends umstürzte.
Nun aber konnte Kurt sich nicht länger halten. Er holte
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