48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
sich Kurt abermals von zwei Armen umfaßt.
„Ah, bist du Onkel ‚Donnerpfeil‘?“
„Ja, mein lieber, lieber Neffe.“
Aus diesen Händen ging der junge Mann in andere. Jeder wollte ihn umarmen und küssen. Er mußte schließlich Sternau um Beistand bitten, diese Szenen zu beenden.
„Allein bist du unmöglich hier?“ fragte dieser.
„Im Kloster ganz allein; draußen aber stehen meine Kameraden.“
„Wer sind sie?“
„Der ‚Schwarze Gerard‘, Geierschnabel und der Jäger Grandeprise. Kommt, Ihr Herren, kommt herauf! Noch sind wir nicht völlig sicher. Man weiß nicht, ob dieser Teufel von Pater nicht Helfershelfer hat. Wir wollen gehen, aber so wenig wie möglich Geräusch verursachen.“
Seinen Vater im rechten Arm, ergriff er mit der Linken die Laterne und schritt voran. Die anderen folgten langsam. Den Schluß bildete Sternau mit dem Licht. Er, der immer an alles dachte, hatte die Schlüssel an sich genommen und verschloß jede Tür hinter sich, durch die sie kamen.
Sie gelangten in die Wohnung des Paters. Es war spät geworden. Man war im Kloster schlafengegangen, und da die Krankenwärter, die zu wachen hatten, sich in einem anderen Gebäude befanden, so hatten die Erretteten ihren Aufenthalt erreicht, ohne daß sie gesehen worden waren.
Hier brannte eine helle Lampe. Kurt brannte zum Überfluß noch eine an, und nun konnte man sich deutlich sehen. Die Begrüßungen und Fragen begannen von neuem.
„Später, später“, wehrte Kurt ab. „Señor Sternau wird mir recht geben, daß wir zunächst auf unsere Sicherheit bedacht sein müssen.“
„Ganz recht“, antwortete der Genannte. „Wo sind die drei braven Jäger, welche draußen stehen?“
„Ich werde sie rufen.“
Bei diesen Worten trat Kurt an das Fenster und öffnete es.
„Gerard!“ rief er halblaut hinab.
„Hier Monsieur.“
„Ist unten etwas vorgekommen?“
„Nein. Wie aber steht es oben?“
„Gut. Werfen sie mir Ihren Lasso zu.“
„Warum?“
„Sie drei sollen an demselben heraufsteigen. Die anderen Wege werden verschlossen sein.“
„Haben Sie den Ihrigen nicht mehr?“
„Nein.“
Gerard warf, und Kurt fing den Lasso auf. Als er ihn gehörig befestigt hatte, kamen die drei nacheinander durch das Fenster. Sie waren nicht wenig erstaunt, eine so zahlreiche Gesellschaft zu finden.
„Donnerwetter!“ meinte Geierschnabel, indem er den Mund weit aufriß. „Das sind sie ja!“
„Ja, das sind wir“, antwortete Sternau. „Wir schulden Euch unendlichen Dank, daß Ihr Euch unserer angenommen habt.“
„Unsinn. Aber zum Teufel, wie hat dieser junge Mensch das denn eigentlich fertiggebracht?“
„Das hören Sie später“, meinte Kurt. „Sie sollen hierbleiben und für Sicherheit dieser Herren, die noch unbewaffnet sind, sorgen. Herr Doktor, meinen Sie, daß noch andere Bewohner des Klosters mit dem Pater im Komplott sind?“
„Außer seinem Neffen wohl keiner“, antwortete Sternau.
„Werde es gleich sehen.“
Bei diesen Worten eilte er zur Tür hinaus, ohne sich durch die ängstlichen Zurufe der anderen zurückhalten zu lassen.
Zur Treppe hinunter kam er in den Hof, dessen vorderes Tor verschlossen worden war. Beim Laternenschein sah er ein zweites Tor, das in einen anderen Hof führte. Er ging dahin und sah ein Gebäude vor sich, in dessen Parterre ein Fenster erleuchtet war. An der Tür des Zimmers, zu dem dieses Fenster gehörte, las er die Inschrift ‚Meldezimmer‘. Er trat ein und wurde von dem darin sitzenden Wärter erschrocken angestarrt.
„Wer sind Sie? Was wollen Sie? Wie kommen Sie hierher?“ fragte dieser, indem er aufsprang.
„Erschrecken Sie nicht“, antwortete er. „Ich komme in der friedlichsten Absicht. Ich befinde mich bei Manfredo, dem Neffen des Paters Hilario. Wer hat in Abwesenheit dieses letzteren Kranke zu behandeln?“
„Der zweite und dritte Arzt.“
„Wie heißt der zweite?“
„Menuccio.“
„Er schläft?“
„Ja.“
„Wecken Sie ihn augenblicklich.“
„Ist es notwendig? Sonst darf ich nicht.“
„Äußerst notwendig.“
„Wen soll ich melden?“
„Einen fremden Offizier.“
Der Mann ging und kam erst nach einer Weile wieder, um ihn zu dem Arzt zu führen. Dieser befand sich im Schlafrock und empfing ihn nicht mit freundlicher Miene.
„Ist es so gefährlich, daß Sie mich im Schlaf stören?“ fragte er.
„Ja, sehr gefährlich, besonders für Sie“, antwortete Kurt.
„Für mich? Señor, ich bin nicht zum Scherz aufgelegt!“
„Ich
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