48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
hervor. Man hat ihr also den Mund zugehalten.“
„Wir müssen zu Hilfe kommen. Vorwärts.“
„Halt. Langsam und leise anschleichen. Das ist viel sicherer.“
Sie versuchten, ihre Schritte soviel wie möglich zu dämpfen, und huschten leise vorwärts. Sie kamen vor der offenstehenden Tür des Hauses vorüber, in welchem Emilia wohnte. Schon bemerkten sie eine kleine Gruppe vor sich, da setzte sich dieselbe mit lautem Pferdegetrappel in Bewegung.
„Guten Ritt nach Tula“, rief dabei eine Stimme.
Im Nu stand Kurt neben dem Sprecher und hatte ihn gepackt.
„Kerl, was ist hier geschehen?“ fragte er.
„Nichts“, antwortete der Mann.
Er machte eine rasche Bewegung – Kurt hielt ein Kleidungsstück in der Hand, der aber, welcher darinnen gesteckt hatte, eilte davon.
„Er entkommt“, rief André.
Zugleich schickte er sich an, dem Fliehenden nachzueilen.
„Halt!“ gebot Kurt.
André gehorchte; aber er brummte unwillig:
„Wollen wir den Kerl denn entlaufen lassen?“
„Vielleicht ist es das Beste. Und selbst wenn sich meine Vermutung bestätigt, nutzt es uns nichts.“
„Wie? Sie haben eine Vermutung?“
„Ja.“
„Alle Teufel! Denken Sie etwa gar – Señorita Emilia?“
„Überzeugen wir uns.“
„Ah, da sollte der Teufel diese Kerls holen.“
Der kleine Mann sprang vorwärts, zur Tür hinein, zur Treppe empor. Oben war kein Licht, und die Zimmertür war verschlossen. Man hatte seine Schritte gehört, und eben als er zur Treppe herabkam, trat die Dienerin in den Hausflur.
„Zu wem wünschen Sie?“ fragte sie ihn.
„Ist Señorita Emilia zu Hause?“ fragte er.
„Nein“, antwortete die Duenna. „Ah, gewiß sind Sie die Señores, welche sie erwartete? Sie waren heute bereits einmal da?“
„Ja.“
„In diesem Fall muß ich Sie bitten, in einer Stunde wiederzukommen.“
„Weshalb?“ fragte Kurt.
„Der Beichtvater des Kaisers war bei Señorita Emilia, und sie ging gleich nach ihm aus.“
„Leuchten Sie einmal her. Kennen Sie dieses Gewand?“
„Himmel. Das ist ja die Kutte des Beichtvaters.“
„O, nun weiß ich genug. Die Señorita ist auf einige Zeit verreist, sie wird aber wiederkommen. Schließen Sie alle Sachen, welche sie zurückgelassen hat, sorgfältig ein, und geben Sie den Schlüssel niemand in die Hände.“
Er ließ die Alte in ihrer Verwunderung stehen und eilte davon, seiner Venta zu. Der ‚Kleine André‘ sprang ihm nach.
„Donnerwetter. Verreist soll sie sein?“ fragte er.
„Fällt niemand ein“, antwortete Kurt.
„Sie sagten es aber doch.“
„Weil die Alte das richtige nicht zu wissen braucht.“
„Señorita Emilia ist entführt, das unterliegt keinem Zweifel, und da der dumme Teufel von einem Pfaffen sich selbst verraten hat, indem er ausrief: ‚Nach Tula‘, so müssen wir ihr nach und zwar sofort. Hier ist die Venta. Bezahlen wir unsere Zeche, und dann ihnen nach.“
„Wissen Sie den Weg?“
„Ja, ich bin ihn schon geritten.“
Unter diesen Reden hatten sie das Gasthaus erreicht. Der Wirt wunderte sich nicht wenig, als Kurt die Zeche bezahlte und dann die beiden ihre Pferde schnell sattelten und auf die Straße zogen.
„Señores, wollt ihr etwa abreisen?“ fragte er.
„Ja, alter Christian“, antwortete der Kleine.
„Nur werdet ihr nicht hinauskommen. Denn es darf, sobald es dunkel ist, niemand passieren.“
„Bei dir mag es schwarz sein, bei uns aber ist es hell. Adieu, lieber Gottlieb.“
Nach diesem halb zärtlichen, halb beleidigenden Abschied trabten die beiden davon. Am Tor angekommen, sahen sie beim Schein einer Lampe eine Schildwache stehen.
„Halt! Wer da?“ rief dieselbe.
„Offizier!“
„Name?“
„Petro Gibellar.“
„Kann passieren.“
„Sage, mein Lieber, sind nicht vor einer halben Stunde hier mehrere Reiter passiert? Wir gehören zu ihnen.“
„Ja. Oberst Lopez.“
„Richtig. Sie hatten eine gefangene Dame bei sich?“
„Ja. Sie mußten Eile haben, denn sie begannen draußen zu galoppieren.“
„Wir erreichen sie doch noch. Hier hast du.“
„Danke, Señor.“
Während der Soldat aufschloß, hatte Kurt ihm eine Silbermünze zugeworfen.
Als sie das Freie erreichten und ihre Pferde in einen fliegenden Galopp gesetzt hatten, meinte der Kleine:
„Schöne Wirtschaft da in Querétaro.“
„Wieso?“
„Nicht einmal Parole, oder wie man es nennt.“
„Das war gut für uns.“
„Ich stand schon im Begriff, den Kerl mit dem Kolben niederzuschlagen, um zu seinem Schlüssel
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