48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
sagte er zum Wirt, „daß ich wohl recht hatte, als ich drei Gläser verlangte.“
Emilia dankte ihnen mit überströmenden Herzen. Sie erzählte, wie sie behandelt worden war, und daß man sie morgen hätte aufknüpfen wollen.
„Was?“ rief der Kleine. „Gehängt sollten Sie werden?“
„Ja.“
„Das war doch nur dummer Spaß?“
„Nein, sondern völliger Ernst.“
Da versetzte er dem noch immer bewußtlosen Obersten einen wütenden Fußtritt und rief:
„Das hätten Sie wagen sollen. Wäre ich morgen nach Tula gekommen und hätte Sie hängen sehen, so hätte ich das Nest in die Luft gesprengt.“
Sie reichte ihm das kleine, schöne Händchen und sagte:
„Ich glaube, daß Sie zornig geworden wären, und danke Ihnen herzlich für diese Teilnahme.“
„Was? Zornig?“ fragte er. „Verrückt wäre ich geworden, ein rasender Robinson, oder heißt es vielleicht Roland? Wissen Sie noch in Chihuahua, was ich für meine Kameraden tat?“
„O, noch sehr gut weiß ich das. Ich werde es nie vergessen.“
„Nun, für Sie könnte ich noch tausendmal mehr tun. Trinken Sie nur, damit der Schreck keine weiteren Folgen hat.“
Als sie das Glas zum Mund führte, hörte man den Hufschlag eines Pferdes, welches draußen anhielt, und eine Minute darauf trat der Reiter ein. Es war – der dicke Kleine, der Bote des geheimen Bundes.
Als er die Gefesselten erblickte, wollte er sofort zurückweichen, aber André war schneller als er und hatte ihn gepackt.
„Halt, Freund!“ sagte er. „Hierbleiben. Wer hier einmal eintritt, der muß wenigstens so lange bleiben wie wir.“
„Aber Señor, ich wollte gar nicht bleiben“, meinte der Mann angstvoll.
„So? Was wolltest du denn?“
„Ich wollte einen Schluck Wein trinken und dann wieder fort.“
„Trink zehn Schlucke. Dann sind auch wir fertig, und du kannst gehen, wohin es dir beliebt.“
„Das wohl nicht“, meinte Kurt lächelnd. „Der Señor wird uns begleiten.“
„Sie begleiten?“ fragte der Dicke. „Wohin?“
„Zu Juarez.“
Er wurde leichenblaß.
„Zu Juarez?“ fragte er. „Warum?“
„Weil der Präsident Sie gern kennenlernen will. Wo sind Sie heute gewesen?“
„In der Umgegend.“
„Nicht in Querétaro?“
„Auch mit.“
„Was hatten Sie da zu tun?“
„Ich bin ein Handelsmann und reise in meinem Geschäft.“
„Ja, Sie handeln mit Lügen, und Ihr Geschäft ist der Verrat.“
„Gott, Señor, Sie verkennen mich“, rief der Beschuldigte voller Angst.
„Ich Sie verkennen? Das wollen wir gleich sehen. Sind Sie in Santa Jaga bekannt?“
„Nein.“
„Auch nicht im Kloster della Barbara dort?“
„Nein.“
„Sie sind dort nie gewesen?“
„Nein.“
„Aber Sie kennen den Pater Hilario?“
„Nein.“
„Oder seinen Neffen Manfredo?“
„Auch nicht.“
„Sie lügen. Ich selbst habe Sie dort gesehen.“
„Sie täuschen sich.“
Da holte Kurt aus und gab ihm eine solche Ohrfeige, daß er mit dem Kopf an die Wand flog. Der Getroffene nahm den Kopf in beide Hände und rief:
„Sie tun mir wirklich unrecht. Der, den Sie gesehen haben, muß mir außerordentlich ähnlich sein.“
„Ja, so ähnlich, daß du es bist, mein Bursche. Hast du nicht am Mittwoch abend im Zimmer des Paters mit dessen Neffen gesprochen?“
„Nein.“
„Hast du ihm nicht gesagt, daß zweihundert Soldaten kommen würden, die er unten vom Klosterweg heraufholen soll?“
Der Mann starrte Kurt erschrocken an.
„Nein“, leugnete er dennoch.
„Diese Soldaten sollten das Kloster in Besitz nehmen, damit der Kaiser getötet und Juarez sein Mörder werde?“
„Nein. Ich habe nicht daran gedacht.“
„Leugne jetzt wie du willst. Ich bin kein Henker. Aber wir werden dich schon noch zum Sprechen bringen und dann auch die Mitglieder eures sauberen Bundes erfahren. Wir binden dich aufs Pferd und nehmen dich mit. Brechen wir auf.“
Er warf ein Geldstück als Bezahlung für den Wein auf den Tisch und faßte den Dicken an. André half, und bald war der Verschwörer auf sein Pferd gebunden. Emilia, jetzt frei, stieg auf ein anderes, und es ging fort.
Sie mußten zurück, vorsichtig um Querétaro herum, und dann galt es, die Vorposten von Juarez zu erreichen.
Der ebenso vorsichtige, wie tatkräftige Zapoteke hatte sein Heer unterdessen eine allgemeine Vorwärtsbewegung machen lassen. Er befand sich in viel größerer Nähe, als selbst Mejia heute am Nachmittag geahnt hatte, denn noch war der Mittag nicht vorüber, so stieß Kurt auf eine
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