48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
vielleicht auch etwas über jene Person zu hören beabsichtigt, so glaubte er, Sie jetzt bei sich sehen zu können.“
„Sie sollen mich zu ihm bringen?“
„Ja, und dabei haben Majestät noch gewünscht, daß niemand etwas von dieser Audienz wissen soll.“
„Es ist meine Pflicht, mich zur Verfügung zu stellen. Zuvor aber muß ich meiner Dienerin sagen –“
„Halt! Auch diese darf nicht wissen, wohin Sie gehen.“
„O nein. Ich werde ihr nur befehlen, den Personen, welche ich erwarte, zu sagen, daß ich erst in einer Stunde zu sprechen bin.“
„Gut. Ihre Dienerin ist bei der Señora unten. Ich werde mich vor das Haus begeben und Sie dort erwarten.“
Er ging.
Emilia machte schleunigst Toilette und stieg dann die Treppe hinab. Unten gab sie der Duenna den erwähnten Befehl und trat dann auf die Straße, wo sie den Pater Beichtiger sah. Sie schritt zu ihm hin.
„So, jetzt stehe ich zur Disposition“, meinte sie.
„Es ahnt doch niemand, wohin Sie gehen?“ fragte er.
„Kein Mensch!“
„So kommen Sie.“
Sie folgte, aber kaum hatte sie fünf Schritte getan, so wurde sie von starken Armen von hinten erfaßt.
„Hil –“
Mehr konnte sie nicht rufen, denn ein Tuch legte sich auf ihren Mund, und zugleich wurde sie an Händen und Füßen gebunden. Ein zweites Tuch wand man ihr über die Augen um den Kopf, und dann bemerkte sie, daß sie auf ein Pferd gehoben wurde. Der Reiter, welcher auf demselben saß, nahm sie in Empfang und dann ging es fort.
Sie vermochte sich nicht zu bewegen, sie wurde in einer höchst unangenehmen Lage von starken Armen festgehalten. Sie hörte, daß die Pferde erst durch die Straßen der Stadt trabten und dann draußen auf der breiten Feldstraße in einen gestreckten Galopp fielen.
Sie konnte kaum atmen. So ging es, wie es ihr schien, eine ganze Ewigkeit fort, bis der Führer zu halten gebot. Er nahm ihr die Tücher ab. Nun konnte sie wenigstens sehen und atmen.
„Um Gottes willen, was soll das sein?“ fragte sie. „Ihr müßt euch in mir geirrt haben, Señores.“
„O nein. Wir wissen ganz genau, wen wir haben“, lachte der Reiter.
„Was wollt Ihr denn von mir?“ fragte sie voller Angst. „Und was soll mit mir geschehen?“
„Halte den Mund. Du wirst schon Antwort erhalten, wenn es Zeit ist. Mit Weibern eures Gelichters wird wenig Federlesens gemacht. Für euch ist der Strick noch viel zu gut.“
Der dies sagte, war der Oberst Miguel Lopez, ein Oheim der Frau Marschallin Bazaine, Ritter der französischen Ehrenlegion und gern gesehener Gast in den Tuilerien (der Wohnung des Kaisers Napoleon in Paris).
„Hier ist ein Pferd für dich. Ich kann mich mit dir nicht weiterschleppen. Wir werden dich also auf den Gaul binden. Aber spreize dich nicht, und versuche weder zu sprechen noch zu entfliehen, sonst erhältst du eine Kugel vor den Kopf.“
Sie wurde auf das Pferd gebunden; der Oberst nahm die Zügel desselben in die Hand und dann ging es im Galopp weiter.
So mochte man wohl drei Stunden geritten sein, als man an einer Venta vorüberkam, welche einsam an der Straße lag. Man sah noch Licht durch die Ladenritzen schimmern.
„Enrico, sieh einmal nach, wer drin ist“, gebot Lopez.
Der genannte Soldat stieg ab und blickte durch eine der Ritzen.
„Einige Vaqueros“, antwortete er.
„Wieviele?“
„Ich sehe drei, es können im ganzen höchstens fünf sein.“
„So steigen wir ab, um einen Schluck zu tun. Bindet das Frauenzimmer ab und bringt es herein.“
Die Pferde wurden an eine dazu vorhandene Querstange gebunden, und dann trat Lopez in das Haus, die anderen folgten. –
Als die fünf Männer in Querétaro Emilia gefesselt hatten und dann aufgestiegen waren, hatte der Beichtvater den Beobachter gemacht. Als sich dann die Pferde in Bewegung setzten, hatte er die Unvorsichtigkeit begangen, ihnen nachzurufen:
„Guten Ritt nach Tula!“
Die Reiter hatten es nicht beachtet oder wohl auch gar nicht gehört, wohl aber zwei andere.
Nämlich, als es einige Minuten nach neun geworden war, hatte Kurt sich mit André aufgemacht, um zu Emilia zu gehen. Querétaro war, wie damals alle mexikanischen Städte, nicht gepflastert, deshalb verursachten ihre Schritte nur wenig Geräusch. Da hörten sie plötzlich ein laut gerufenes: „Hil –“
Sie blieben stehen.
„Was war das?“ fragte André.
„Es rief jemand um Hilfe“, antwortete Kurt.
„Aber nur halb.“
„Es schien eine Dame zu sein.“
„Ja. Sie brachte das Wort nur halb
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