48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
siehst du diese Uhr, he?“ fragte er.
„Ja, Herr Hauptmann.“
„Das ist ein altes Kapitalstück. Sie geht zwar schon einundzwanzig Jahre nicht mehr, aber sie ist unter Brüdern noch vierzig Taler wert. Da, nimm sie! Sie soll deine Gebühr sein! – Da!“ Er hob die Uhr ab und schob sie dem Boten in die Arme. „Da!“ Dabei sprang er vom Tisch herab, packte den Kasten und packte denselben dem Boten entgegen, daß beide beinahe niedergestürzt wären.
„Da hast du sie! Halte sie gut! Wenn du sie nicht aufziehst, brauchst du sie im ganzen Leben nicht reparieren zu lassen. Gescheit muß man sein. Nun aber hinaus mit dir und dem alten Uhrenkasten! Fort! Hinaus mit Euch!“
Der Telegraphenbote wollte gegen diese Art von Gebührenentrichtung protestieren, aber ehe er so recht zu Worte kam, stand er draußen, die Uhr in den Händen, und der Kasten lag neben ihm. Nach einigem Nachdenken fügte er sich in das Unvermeidliche, hob den Kasten auf und schleppte seine ‚Telegrammgebühr‘ mühselig und beladen zur Treppe hinab.
„So, der ist bezahlt“, meinte der Hauptmann. „Habe ich eine Freude, so mache ich anderen auch gern eine.“
Ludewig stand dabei, starrte ihn ganz verdutzt an und fragte:
„Aber, Herr Hauptmann, tut es denn nicht weh!“
„Was denn?“
„Beißt oder zwickt und kneipt es denn gar nicht?“
„Zum Teufel! Was denn?“
„Na, die Gicht dahier.“
Jetzt erst fiel auch dem Alten seine Gicht ein. Er machte ein eminent überraschtes Gesicht, stampfte einige Male mit den Füßen und rief dann:
„Ludewig, sie ist fort, rein fort, Gott hab' sie selig!“
„Das ist aber doch merkwürdig“, meinte der Bursche kopfschüttelnd.
„Ja. Was mag da schuld sein?“
„Die Freude oder das Telegramm.“
„Die Freude, Dummkopf! Und denke dir, an mich hat er's adressiert, an mich! Der Prachtkerl, dieser Sternau! Ludewig, renne hinunter in die Küche und sage es, daß Ihr heute Mittag ein Extraessen bekommen sollt.“
„Was denn dahier?“
„Na, was ist euch denn lieber? Nudeln mit Hering oder Eierkuchen mit Sauerkraut oder Pflaumenmus mit Schweizerkäse?“
„Alle drei!“
„Gut. Mir auch egal. Laßt es euch machen. Ich laufe aber sogleich hinüber nach Rodriganda, um die Depesche vorzulesen.“
„Laufen? Mit der Gicht?“
„Sie ist ja fort.“
„Aber sie kann unterwegs wiederkommen.“
„Das mag sie nicht etwa wagen. Ich würde ihr schön heimleuchten. Heute und Gicht! Das reimt sich schlecht auf ein Telegramm aus Mexiko!“
Damit humpelte er fort. Man kann sich denken, welche Freude, ja, welches Entzücken seine Botschaft bei den Lieben allen hervorbrachte. – – –
Unterdessen schritt die Belagerung von Querétaro rasch vorwärts. Die Belagerten sahen freilich nicht müßig zu. Bis zum sechsten Mai hatten sie fünfzehn Ausfälle gemacht, aber nun waren auch die Mittel zum Widerstand fast erschöpft.
Max hatte Unterhandlungen mit Eskobedo anzuknüpfen versucht. Er bot demselben die Übergabe der Stadt an unter der Bedingung, daß ihm nebst seinen europäischen Soldaten und Begleitern freier Abzug aus dem Land bewilligt und seinen mexikanischen Anhängern eine vollständige Amnestie zugesichert werde. Eskobedo ließ kurz antworten:
„Ich habe den Befehl, Querétaro zu nehmen, nicht aber mit dem angeblichen Kaiser von Mexiko – ich kenne gar keinen solchen – zu unterhandeln. Im übrigen schreit das Blut derer, welche um dieses sogenannten Kaiserreiches willen ermordet wurden und die man infolge des Dekretes vom dritten Oktober rechtlos erschoß, zum Himmel auf um Rache. Zudem ist es dem Erzherzog von Österreich verschiedene Male geflissentlich an die Hand gegeben worden, dem wohlverdienten Schicksal zu entgehen. Hat er diese Winke nicht befolgt, so ist das seine Sache.“
So von Eskobedo abgewiesen, hatte Maximilian sich an Juarez selbst gewendet, nun aber keine Antwort erhalten.
Ebenso war es Miramon ergangen. Er hatte sich mit verschiedenen Anträgen an Juarez, Eskobedo und andere gewendet, aber seine Hoffnung, aus der Falle zu kommen, in welche er seinen Kaiser gelockt hatte, war stets vergeblich gewesen. Er erntete entweder Schweigen oder verächtlichen Hohn.
Jetzt hatte er sich auf sein Zimmer zurückgezogen, und vor ihm stand – der Oberst Miguel Lopez, jener Ritter der französischen Ehrenlegion, welcher für einen persönlichen Freund des Kaisers gehalten wurde, weil dieser sogar seinen Sohn aus der Taufe gehoben hatte. Max hatte ihn erst zum
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