48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Zukunft zu vertrösten. Auch Sternau hatte seine Pflicht getan und, sobald der Telegraph praktikabel war, in die Heimat telegraphiert, daß sie alle gerettet seien. Hätte er dabei sein können, als diese Depesche das alte, liebe Rheinswalden erreichte.
Da saß der Hauptmann Rodenstein in seinem Lehnstuhl und stöberte in allerlei Papieren herum. Er war recht alt und grau und wackelig geworden, der alte Oberförster, und gerade heute plagte ihn die Gicht auf eine wahrhaft gräßliche Weise.
Da trat der Ludewig ein, schob die Absätze zusammen, legte die Hand an den Kopf, als ob er seine Mütze aufhabe, und wartete, bis sein Herr ihn anreden werde. Dieser drehte sich endlich zu ihm und sage mißmutig:
„n' Morgen, Ludewig!“
„n' Morgen, Herr Hauptmann!“
„Was Neues?“
„Nein.“
„Kein Wilddieb? Kein Windbruch? Keine Kuh gekalbt?“
„Nein.“
„Hol dich der Teufel, du alte Neinposaune – au!“
Er hatte eine schnellere Bewegung gemacht, als seine liebe Gicht es gestattete, und zog nun vor Schmerzen ein fürchterliches Gesicht.
„Da hat man's!“ räsonierte er. „Ich wollte, du wärest der Oberförster und hättest die Gicht!“
„Und Sie wären der Ludewig ohne Gicht dahier?“
„Ja.“
„Habe auch mein Leiden, Herr Hauptmann.“
„Was denn?“
„Gehaltszulage.“
„Donnerwetter! Das fällt dir niederträch – au! Mensch, mache, daß du fortkommst, sonst werfe ich dir hier meine Tabakspfeife in das Gesicht, daß dir die Gehaltszulagen aus der Nase wachsen – he, wer kommt da?“
Es hatte draußen geklopft.
„Weiß es nicht dahier“, meinte Ludewig gleichmütig.
„So gucke doch hinaus, du Esel!“
„Zu Befehl, Herr Hauptmann!“
Er drehte sich um, öffnete ein wenig, steckte den Kopf vorsichtig hinaus, zog ihn wieder ein und meldete dann:
„Der Telegraphenbote.“
„So laß ihn herein.“
„Zu Befehl Herr Hauptmann!“
Der Bote trat ein.
„Woher?“ fragte der Alte, indem er die Hand ausstreckte.
„Aus Mexiko“, antwortete der Beamte, indem er ihm das Kuvert entgegenstreckte.
„Aus Me – Me – Mexi – woher, Kerl?“
„Aus Mexiko.“
Der Hauptmann machte Augen, wie ein Teller so groß.
„Ist's wahr?“ fragte er.
„Natürlich. Hier steht es ja.“
„So soll mich doch gleich vor lauter Freude der Kuckuck fressen! Fahr hin, du alte Kanaille! Von heute an wird die neue gestopft! Verstanden, Ludewig?“
Er warf bei diesen Worten die Tabakspfeife zum Fenster hinaus, sodaß sie mitsamt der zerbrochenen Scheibe in den Hof hinunterflog.
„Zu Befehl!“ brummte Ludewig.
„Erst mir ins Gesicht und dann zum Fenster hinaus dahier. Wollte lieber, ich hätte sie zum Präsent erhalten.“
„Geh hinunter und hole sie.“
Aber der brave Bursche ging noch lange nicht. Er mußte doch auch hören, was auf der Depesche stand.
Der Alte hatte jetzt geöffnet und las:
„An den Hauptmann von Rodenstein. Rheinswalden bei Mainz in Deutschland. – Alle glücklich gerettet durch Kurt. Brieflich mehr.
Euer Sternau.“
Noch einmal las er diese Worte leise durch, dann aber fuhr er in die Höhe, daß der Stuhl umfiel, machte einen Freudensprung und rief:
„Gerettet! Hurra! Alle gerettet! Durch Kurt! Kyrieeleison! Glücklich gerettet! Gaudeamus igitur! Brieflich mehr! In dulci jubilo! Euer Sternau! Vivat Pestilenz, Pereat Exzellenz! Hast du's gehört, Ludewig! – Na, was steht denn Er noch da und hält Maulaffen feil?“
Diese Worte waren an den Telegraphenboten gerichtet. Dieser kannte den Alten von früher her und antwortete ruhig:
„Ich lauere auf meine Gebühr.“
„Auf deine Gebühr?“
„Ja.“
„Hast du denn eine Gebühr zu bekommen?“
„Natürlich. Oder denken sie etwa, daß so eine Depesche ganz umsonst übers Meer herübergetragen wird?“
„Alle Teufel, ist der Kerl grob! Na, dieses Mal mag dir's noch so hingehen, weil ich gerade bei guter Laune bin. Also deine Gebühr. Hm. Was gebe ich dir nur gleich?“
Er war vor Freude ganz außer Rand und Band geraten. Er dachte in seinem Entzücken gar nicht daran, daß für das Telegramm eine feste Taxe zu bezahlen sei, sondern sein Auge schweifte im Zimmer herum, um da etwas zu finden, womit er den Mann belohnen könne.
„Halt! Ich hab's!“ rief er endlich.
Er sprang auf den Stuhl und von da auf den Tisch und langte an die Wand, wo hoch oben eine uralte Schwarzwälder Kuckucksuhr hing, deren Schleuder und Gewichte in einem ewig langen, wurmgestochenen Kasten steckten.
„Kerl,
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