48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
daran zu verhindern. Er ergriff ihn beim Arm und fragte, obgleich der Hausknecht noch viel älter schien, als er selbst:
„Mein lieber Sohn, warte noch einen Augenblick. Weißt du, was ein Frank ist?“
Der Mann war über diese Frage ganz verblüfft.
„Ja“, antwortete er.
„Nun, was?“
„Ein französisches Geldstück, welches den fünften Teil eines Duro oder Dollar wert ist.“
„Schön, mein Sohn. Und weißt du auch, was ein Duro oder Dollar ist?“
„Fünfmal so viel als ein Frank!“
„Siehe, du weißt das ganz genau. So ein Duro und noch fünf Franks, also zwei Dollars oder zehn Franks gebe ich dir, wenn du deinen lieblichen Mund öffnen willst, um mir einige kleine Fragen zu beantworten.“
Das war dem Mann noch selten vorgekommen. Er starrte den splendiden Fremden an und fragte:
„Ist das wahr, Señor?“
„Ja. Und außerdem will ich dich Sie nennen, während ich Sie bisher du genannt habe.“
„So geben Sie zuerst das Geld!“
„Nein, nein, mein Sohn. Erst mußt du mir sagen, ob Sie mir antworten wollen, dann werden Sie sehen, daß du das Geld sogleich und ehrlich ausgezahlt bekommst.“
„Gut. Ich werde antworten.“
„Das freut mich. Hier haben Sie zehn Franks.“
Er griff in die Tasche, zog seinen Lederbeutel und drückte ihm ein Goldstück von dem angegebenen Wert in die Hand.
„Señor“, meinte der Hausknecht, „ich danke Ihnen. Unsereiner braucht seinen Schlaf sehr notwendig, aber für so ein Trinkgeld stehe ich zu jeder Zeit auf. Fragen Sie!“
„Es ist nicht viel, was ich zu fragen habe. Logieren heute viele Fremde hier?“
„Nicht sehr viele. Zehn oder elf.“
„Sind drei dabei, welche zusammengehören?“
„Nein, wenigstens glaube ich es nicht. Alle wohnen einzeln, außer zweien, welche ein Zimmer zusammen genommen haben.“
„Kennen Sie die Namen dieser Señores?“
„Der eine ist Don Antonio Veridante und der andere sein Sekretär.“
„Ein dritter ist nicht dabei?“
„Ein dritter kam mit ihnen, wohnt aber nicht bei ihnen.“
„Wie heißt er?“
„Ich weiß es nicht.“
„Was ist er?“
„Auch das weiß ich nicht. Er geht sehr einfach gekleidet, fast wie ein armer Vaquero oder Jäger.“
„Sind diese drei Personen am Abend ausgegangen?“
„Sie sind seit Einbruch der Nacht fort.“
„Aber sie sind wiedergekommen?“
„Ich habe nichts gemerkt.“
„Ich habe einige vertrauliche Worte mit diesem Jäger oder Vaquero zu sprechen. Wird dies möglich sein?“
„Werden Sie es verantworten, wenn ich ihn wecke, falls er überhaupt daheim ist?“
„Er ist daheim. Und verantworten werde ich es. Gibt es einen Raum, in welchem wir sein können, ohne belauscht zu werden?“
„Er schläft nur in einer Hängematte und kann Sie also bei sich empfangen, wenn er will. Soll ich ihm einen Namen nennen?“
„Ja. Sagen Sie ihm, Don Velasquo d'Alcantaro y Perfedo de Rianza y Hallendi de Salvado y Caranna de Vesta-Vista-Vusta wünscht ihn zu sprechen.“
Geierschnabel sagte diesen Namen in einem so adelsstolzen Ton, daß der dienstbare Geist gar nicht daran zweifelte, daß der Sprecher berechtigt sei, ihn zu tragen. Nur fiel es dem Hausknecht gar nicht leicht, diese Worte mit einem Mal zu behalten. Er bat daher:
„Wollen Sie mir den Namen nicht noch einmal nennen, Don Velasquo? Wir sind auf so vornehme Señores noch nicht eingerichtet.“
„Noch nicht eingerichtet? Mit dem Gedächtnis? Gut. Wenn ich hier verkehre, wird diese Schwäche weichen. Ich bin Don Velasquo d'Alcantaro y Perfedo de Rianza y Hallendi de Salvado y Caranna de Vesta-Vista-Vusta.“
„Schön. Jetzt weiß ich es sehr genau. Entschuldigen Sie, daß ich Sie an der Tür warten lasse, aber in dem Zimmer schlafen die Maultiertreiber auf der Diele.“
„Tut nichts. Ich will weder die Treiber noch die Diele in ihrer Ruhe stören.“
Der Hausknecht ging. Vom Hof aus führte eine Holztreppe nach den Räumen empor, welche hier mit der Bezeichnung Fremdenzimmer beehrt wurden. Der Mann klopfte leise an eine der Türen. Grandeprise war erst vor wenigen Minuten nach Hause gekommen und schlief noch nicht. Er lag angekleidet in der Matte.
„Wer ist's?“ fragte er, erstaunt über dieses Klopfen.
„Der Hausmeister. Darf ich einmal hereinkommen?“
„Ja.“
„Mit dem Licht?“
„Immerhin.“
Die Tür öffnete sich leise, damit kein anderer Gast geweckt werde, und der Mann trat ein.
„Was gibt es denn?“ fragte der Jäger erstaunt, befremdet und besorgt zu gleicher
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