49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
nicht, daß er – aber zum Scherz? Das tut er nicht. Und im Ernst? Eine, die mit einem entflohenen Sibirier reist? Das ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist es jedoch zu lösen.“
Natürlich mußte Gökala sich endlich erinnern, daß sie nicht allein sei. Eine tiefe Glut überzog ihr Gesicht. Sie hatte ihre Liebe verraten. Doch faßte sie sich schnell und fragte:
„Haben Sie mehrere dieser Bilder?“
„Nein.“
„O weh! Ich möchte Sie nicht berauben, und doch war ich im Begriff, Sie zu fragen, ob Sie es mir schenken wollen.“
„Ich gebe es Ihnen gern. Behalten Sie es also.“
„Ich danke! Ich werde ihn niemals wiedersehen; nun habe ich doch sein Bild. O Gott, da denke ich erst jetzt daran, daß vielleicht auch Sie ihn nicht mehr sehen.“
„Weshalb?“
„Vielleicht ist er tot.“
„Alle Teufel! Tot? Wieso?“
„Man hat gestern abend einen Mordanschlag auf ihn unternommen. Er ist mit einem Ruder auf den Kopf geschlagen und in das Wasser geworfen worden.“
„Von wem?“
„Von – von – man kennt den Täter noch nicht.“
„Oh, Fräulein, ich kenne ihn.“
„Gewiß nicht!“
„Gewiß. Sie vergessen, daß ich Zeuge Ihrer Unterhaltung war. Jener Russe, für dessen Frau Sie gelten, ist der Mörder. Ich werde ihn festnehmen lassen.“
„Nein, nein! Halt!“ antwortete sie voller Angst. „Handeln Sie, um Gottes willen, nicht so vorschnell! Noch wissen Sie ja nicht, wie sich die Sache zugetragen hat.“
„Ich hoffe, es von Ihnen zu erfahren.“
„Gewiß. Sie sollen alles wissen.“
Dennoch erzählte sie ihm nicht alles, doch ließ sie ihn das, was sie nicht sagte, wenigstens ahnen. Er hätte ja sonst Mißtrauen fassen können. Er hörte ihr in stiller Bewunderung zu. Sein Auge hing an ihrem herrlichen Körper, ihrem unvergleichlichen Angesicht und ward gefangengenommen von all den anmutigen Bewegungen, die sie machte. Und auch seine innere Aufmerksamkeit wurde gefesselt durch die Art und Weise, in der sie ihm von ihrer Liebe erzählte und von der glühenden Erwiderung derselben, ohne doch ein Wort davon zu sagen. Sie war ganz Weib; sie ging völlig in der Erinnerung an die glücklichste Stunde ihres Lebens auf, und doch bewahrte sie eine Würde, eine Hoheit, die ihn mit Bewunderung erfüllte.
„Gnädiges Fräulein, ich gestehe aufrichtig daß Sie mich in große Verlegenheit bringen.“
„Wieso?“
Das Beiwort ‚gnädig‘ gab er ihr unwillkürlich. Sie hatte etwas so Gebieterisches, Hoheitsvolles an sich, daß er sich ihr freiwillig unterordnete.
„Sie nennen und bezeichnen mir den Mörder und verlangen zugleich, daß ich mich seiner nicht bemächtige.“
„Sie können mir das überlassen. Ihr Herr wird Sie später deshalb loben.“
„Aber wie nun, wenn mein Herr nicht gerettet ist, wenn er wirklich getötet wurde?“
„Dann ereilt die Strafe den Mörder ganz gewiß.“
„Und die drei Burschen waren also auch dabei?“
„Ja.“
„Gut. Ich will Ihnen gehorchen und so tun, als ob ich gar nichts wisse; aber wehe ihnen, wenn mein Herr tot ist! Ich werde bereits in Alexandrien Gewißheit erlangen – “
„Oh, wie lieb wäre mir das! Auf welche Weise aber soll Ihnen diese Gewißheit werden?“
„Auf telegraphischem Weg. Ich erwarte dort Instruktionen. Finde ich sie auf dem Konsulat vor, so lebt mein Gebieter; finde ich sie aber nicht, dann dürfen Sie nicht verlangen, daß ich schweige.“
„Nein. In diesem Fall werde ich selbst als Zeugin auftreten, mag daraus werden, was da wolle. Und jetzt noch eins. Dürfen Sie mir zu der Photographie vielleicht noch eine Kleinigkeit geben?“
„Was?“
„Es fehlt der Name unter dem Bild.“
„Nun, Oskar“, antwortete er lächelnd.
„Weiter!“
„Weiter nichts. Hat mein Herr es vorgezogen, zu schweigen, so bin ich erst recht zu demselben Verhalten gezwungen. Ich habe ja außerdem so voreilig gehandelt, daß ich es jedenfalls gar nicht zu verantworten vermag.“
„Ich wüßte nicht –!“
„Was wird mein Herr sagen, wenn er erfährt, daß Sie im Besitz seiner Photographie sind. Sie sehen die Uniform seines Regimentes. Nun ist's nicht schwer, auch den Namen zu erfahren, von dem er doch wünscht, daß er ein Geheimnis bleiben soll.“
„Da machen Sie sich keine Sorge! Ich werde dieses Bild keinem Menschen zeigen, um den Namen des Originals zu erfahren, und – schnell zu! Man kommt!“
Er verschloß schleunigst die Öffnung, und im nächsten Augenblicke hörte er drüben die Kabinentür öffnen. Die alte
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