49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
bekommt er mehr. Hier, Kleiner, hast du! Kaufe dir Pfefferkuchen dafür oder Pantoffeln, oder was dir sonst beliebt. Das Geld ist dein.“
Der Diener verstand die in englischer Sprache geredeten Worte zwar nicht, da er aber das Geld in der Hand fühlte, wußte er natürlich, was gemeint war.
„Allah segne dich!“ sagte er. „Er lasse deine Kinder und Kindeskinder wachsen wie den Sand am Meer!“
Dann ging er. Der Lord aber fragte:
„Was meinte er?“
„Allah soll Ihre Kinder und Kindeskinder wachsen lassen wie den Sand am Meer.“
„Hole ihn der Kuckuck! Ich glaube, der Kerl will mich foppen. Ich habe keine Kinder, also können meine Kinder auch keine Kinder haben, von Kindeskindern kann also gar keine Rede sein!“
„Der gute Mensch ist eben über die Familienverhältnisse Eurer Lordschaft nicht unterrichtet. Wir wollen nun vorwärtsgehen und unseren glücklichen Freund allein lassen.“
„Ja, ganz richtig! Glücklich ist er! Er hat eine, eine aus dem Harem, und wird sogar allein mit ihr gelassen. Ach, wenn so etwas auch einmal mir passieren würde! Ich könnte ganz ebenso eine hübsche Za – Ze – Zo – Zi – na, wie ist der Name?“
„Zykyma.“
„Schön! – Ebenso eine hübsche Zykyma gebrauchen. Leider aber scheint dieser türkische Allah einen Pik auf mich zu haben, er tut ganz, als ob ich gar nicht da sei, oder als ob es für mich gar keine Sultana gäbe. Aber ich finde doch noch eine, und soll ich sie sonstwo suchen! Na, kommen Sie, Mister Normann! Wir wollen die beiden nicht stören. Ich habe es zwar an mir noch nicht erfahren, von andern aber habe ich gehört, daß es zu zweien am schönsten sei und daß der dritte sich getrost zum Teufel scheren könne. Wünsche Prost Mahlzeit, Mister Wallert!“
Der Lord und Normann gingen. Sie folgten dem mit weichem Sand bestreuten Weg, der aus der Gartenecke nach dem Haus führte. Er war zu beiden Seiten in kurzen Unterbrechungen mit Ziersträuchern besetzt. Bei einem dieser Bosketts blieb Normann stehen und sagte:
„Hier wird der beste Ort sein. Legen wir uns hier hinter dem Busch in das Gras!“
Sie taten es und konnten nun ganz genau das Fenster sehen, hinter dem die Erwartete wohnte. Das Licht drang durch die kleinen Zwischenräume des hölzernen Gitters.
Nach einiger Zeit verschwand das Licht, und das Fenster wurde dunkel.
„Sie hat ausgelöscht“, flüsterte der Lord. „Das ist sehr gescheit von ihr. Sollte jemand lauschen, so sieht man sie nicht herabsteigen. Diese Haremsdamen sind doch nicht weniger pfiffig als die unsrigen, die es auch sehr gut anzufangen wissen, einem Heißgeliebten in die Arme zu fliegen.“
Ihr Verbündeter hatte inzwischen die Leiter angelegt, war hinaufgestiegen und hatte leise an das Gitter geklopft. Er sah Zykyma mit Tschita und deren Mutter in einer Stellung die hohe Erwartung ausdrückte, auf dem Diwan sitzen. Die erstere kam an das Gitter heran und fragte leise: „Ist es ihm geglückt, hereinzukommen?“
„Ja, er wartet in der Ecke.“
„Gleich.“
Zykyma blies das Licht aus und stieg hinaus auf die Leiter und hinunter in den Garten. Dort stand der Diener, der die Leiter festgehalten hatte.
„Herrin, er ist nicht allein gekommen“, meldete er. „Er hat die beiden anderen mitgebracht.“
„Welche Unvorsichtigkeit!“
„Sie sollen euch bewachen und beschützen, falls ihr vielleicht entdeckt werdet.“
„Sie werden uns nicht beschützen können, sondern ihre Anwesenheit ist viel eher geeignet, uns zu verraten. Sind sie bei ihm?“
„Nein. Sie können nicht hören, was du mit ihm sprichst. Sie wachen mehr in der Nähe des Hauses.“
„So gehe du nach dem Hof und halte die Augen und die Ohren offen.“
„Erlaube mir vorher eine Frage, o Herrin! Wirst du mit diesem Franken aus dem Harem gehen?“
„Würdest du mich dann verraten?“
„Nein. Allah ist mein Zeuge, daß ich dir treu bin und daß ich es ehrlich und aufrichtig mit dir meine!“
„So will ich dir sagen, daß es sehr leicht möglich ist, daß ich mit ihm gehe.“
„Wann? Heute schon?“
„Nein. Doch wenn es die Umstände erfordern, so werde ich auch heute schon gehen.“
„Oh, nimm mich mit, Herrin!“
„Das ist meine Absicht. Du hast mir große Dienste geleistet, und so werde ich dich gern mitnehmen. Doch gehe jetzt. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Der Diener entfernte sich gehorsam nach dem Hof zu, und Zykyma ging nach der Gartenecke. Als sie an den beiden wachhabenden Freunden vorüberschritt,
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