49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
nicht weiß, welche Sie meinen.“
„Na, welche soll ich denn meinen! Die richtige natürlich.“
„Oh, eine jede Liebe ist die richtige. Da gibt es zum Beispiel die Liebe der Alten zu den Jungen – “
„Donnerwetter! An die denke ich nicht!“
„Oder der Jungen zu den Alten.“
„Auch an die nicht.“
„Der Geschwister zueinander?“
„Nein.“
„Der Freunde?“
„Auch nicht. Das ist keine Liebe, sondern Freundschaft.“
„Also die Liebe des Mannes zur Frau?“
„Ja, das ist der wahre Jakob. Diese meine ich.“
„So wünschen Sie, daß ich Ihre Frau werde?“
„Ja, das wäre – hm! Verdammt!“
„Nun, bitte, antworten Sie!“
„Mädchen, Mädchen! Muß denn gleich geheiratet sein?“
„Gleich? Nein, das ist nicht nötig. Das kann ja überhaupt gar nicht so rasch gehen.“
„Richtig, sehr richtig! Ihr Weibsleute denkt immer gleich an die Hochzeit und an den Polterabend, wenn man von Liebe zu euch spricht. Du scheinst mir jedoch verständiger zu sein. Wir lieben uns und warten ganz einfach ab, was sich daraus entwickeln wird. Aber die Fahrt ist zu Ende. Was nun?“
„Wir steigen aus und gehen spazieren.“
„Herrlich! Doch zuvor muß dieser Mann bezahlt werden. Wieviel hat er zu verlangen? Ich kann ihn nicht fragen, da ich nicht Türkisch verstehe.“
„Geben Sie ihm fünf Francs.“
„Francs? Hat man hier auch französisches Geld?“
„In der Hauptstadt gelten alle Münzen.“
Sofort zog der Lord den Beutel und gab dem Ruderer die angegebene Summe.
„Merci, Monsieur!“ dankte dieser sehr freundlich und setzte französisch hinzu: „Amüsieren Sie sich gut, damit Ihr verwundetes Herz geheilt werde.“
Der Lord erschrak, antwortete aber nichts und stieg mit dem Mädchen ans Land. Erst als sie sich eine Strecke entfernt hatten, sagte er ärgerlich:
„Dieser Kerl spricht also auch französisch?!“
„Die Gondelführer verstehen alle Französisch und Italienisch, da sie sehr viele Fremde bedienen.“
„So hat er verstanden, was ich zu Ihnen sagte?“
„Alles.“
„Verteufelt, verteufelt! Warum haben Sie mich nicht darauf aufmerksam gemacht?“
„Das hätte er doch gehört.“
„Richtig. Na, ich mache mir nichts daraus; aber Ihnen kann es Ungelegenheiten machen.“
„O nein; er kennt mich ja nicht.“
Davon war nun gerade das Gegenteil der Fall; dies hätte der Engländer auch sicher vermutet, wenn er den außerordentlich pfiffigen Gesichtsausdruck gesehen hätte, mit dem der Ruderer ihnen nachblickte und dabei in den Bart murmelte:
„In das Netz gegangen! Dieser Engländer wird für den Lockvogel zu jeder Dummheit bereit sein!“
Diesseits des Wassers war die Gegend nicht sehr belebt. Man erblickte nur von weitem hier und da einen einsamen Wanderer, der in den Ruinen Karthagos, der einst mächtigen Stadt, umherstrich. Darum wagte es der Lord getrost, die Hand seiner reizenden Begleiterin zu ergreifen. Sie ließ ihm dieselbe auch willig, ja, er fühlte sogar, daß sie ihm die seinige liebevoll drückte. Das machte ihn außerordentlich glücklich und versetzte ihn in eine Laune, in der er zu jedem Opfer bereit war.
„Wohin nun also?“ fragte er ungeduldig.
„Sehen Sie da drüben die Säule? An ihrem Fuß befindet sich eine kleine Hütte, wo wir eintreten können.“
„Wem gehört sie?“
„Einem sehr guten Bekannten von mir.“
„Alle Wetter! Darf der denn sehen, daß Sie mit einem Fremden sprechen?“
„Ja.“
„Wenn er es aber Ihrem Vater sagt!“
„O nein, das tut er nicht. Er ist treu und verschwiegen, und wenn Sie ihm ein gutes Bakschisch geben, so geht er für Sie durchs Feuer.“
„Wie aber haben Sie denn seine Bekanntschaft gemacht?“
„Er war meines Vaters Sklave, wurde aber später zum Lohn seiner Treue freigegeben.“
„Hat er etwa den Harem bedient?“
„Ja.“
„So ist er ein Eunuch?“
„Ja. Sie werden es ihm sogleich ansehen, daß er kein eigentlicher Mann ist. Dort liegt die Hütte. Warten Sie hier ein wenig. Ich will erst einmal hingehen, um nachzusehen, ob vielleicht Fremde dort sind.“
Sie ging und er wartete.
„Ein famoses Kind!“ sagte er zu sich, ihr nachblickend. „Dieser Gang, die Hüften! Sapperment, die will ich entführen! Wie werden sich Normann und Wallert ärgern, wenn ich ohne ihre Hilfe einen so herrlichen Vogel aus dem Harem geschafft habe!“
Der Lord lehnte sich vergnügt lächelnd an einen gewaltigen, seit vielen Jahrhunderten hier liegenden Steinblock und behielt unverwandt die
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