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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hütte im Auge, in die das Mädchen soeben eingetreten war. Es währte eine ziemliche Weile, ehe er sie wieder sah. Sie erschien zusammen mit einem zweiten Mädchen und einer männlichen Person und deutete mit der Hand nach ihm. Er wurde darauf sehr angelegentlich betrachtet, und zu gleicher Zeit glaubte Lord Eaglenest auch ein kurzes, aber kräftiges Lachen des Mannes zu hören.
    „Der freut sich, daß ich komme“, dachte er. „Na, dafür soll er ein gutes Bakschisch haben!“
    Da kehrte auch schon seine Begleiterin zurück. Sie hatte das Gesicht entblößt und erschien dem Lord noch weit schöner als vorher. Der Grund davon mochte vielleicht das unterdrückte Lachen sein, das sie nur mit Mühe zurückhalten konnte.
    „Nun, wie steht es, holdes Kind?“ fragte er voller Spannung.
    „Wir sind sicher. Kommen Sie.“
    „Das war also der Eunuch?“
    „Ja.“
    „Aber es war ja ein Frauenzimmer bei ihm!“
    „Das braucht Ihnen keine Sorge einzuflößen. Es ist nur meine Lieblingsschwester, die ebenso wie ich einen Spaziergang nach den Ruinen gemacht hat.“
    „Ah! Schwester! Ist sie hübsch?“
    „Sogar schön.“
    „Verteufelt, verteufelt! Jung?“
    „Zwei Jahre jünger als ich.“
    „Ah! Hat sie einen Mann oder Geliebten?“
    „Nein.“
    „Gut! Schön! Kommen Sie, kommen Sie!“
    Er ergriff sie erregt bei der Hand und zog sie schnell mit sich fort. Er war wie elektrisiert. Zwei Haremsdamen anstatt nur einer! Das war ja ein Zufall, ein Ereignis, von dem er später in London mit größtem Stolz erzählen konnte. Und wenn es ihm gar gelang, alle beide zu entführen! Er sagte nichts, aber er hätte in diesem Augenblick seine Begleiterin vor Wonne umarmen mögen!
    Die Hütte, der sie zueilten, war aus rohen Steinen erbaut und machte keineswegs einen anheimelnden Eindruck. Vor der Tür stand der angebliche Eunuch, ein langer, hagerer, knochiger Kerl mit schiefliegenden Augen und in eine Kleidung gehüllt, für die der Ausdruck Lumpen noch am bezeichnendsten gewesen wäre. Sein Aussehen war gar nicht vertrauenserweckend, zumal in dem Strick, der ihm als Gürtel diente, zwei lange Messer steckten. Doch kümmerte das den Lord nicht. Es fiel ihm sogar nicht einmal auf, daß dieser Mensch, der doch ein Eunuch sein sollte, so lang und hager war, was bekanntlich die allergrößte Seltenheit bei derartigen Leuten ist.
    „Salem aaleïkum!“ begrüßte der unheimliche Bursche die Herannahenden und verneigte sich dabei höchst demütig vor dem Lord.
    „Guten Tag!“ antwortete dieser französisch.
    Dann zog er ein Goldstück aus seiner wohlgefüllten Börse und gab es ihm. Das Gesicht des Menschen grinste förmlich vor Vergnügen. Er machte eine noch viel tiefere Verbeugung als vorher und erwiderte ebenfalls französisch:
    „Tausend Dank, Monsieur! Treten Sie ein in meine arme Hütte. Ich bin Ihr Beschützer und werde wachen, daß kein Mensch Sie stören soll!“
    Der Brite folgte sofort der Einladung. Er mußte sich allerdings tief bücken, um durch die niedrige Öffnung zu gelangen. Das Innere der Spelunke bestand aus einem viereckigen Raum, der nichts enthielt als eine lange Strohmatte, auf der zur Verschönerung ein alter Teppich lag. In einer Ecke sah man ein paar zerbrochene Töpfe und ähnliche schmutzige Geschirrsachen, und in der anderen standen einige Flaschen und ein Weinglas.
    Auf dem Teppich saß die zweite Haremsdame. Vorhin, als sie vor der Hütte stand, war sie verhüllt gewesen, jetzt aber hatte sie beinahe jede Hülle abgelegt, denn der dünne Stoff, den sie trug ließ fast ihren ganzen Körper durchscheinen. Hätte der Lord sie so in London gesehen, so hätte er sicherlich sofort gewußt, welcher Frauenklasse sie angehörte, hier aber in Tunis machte sie auf ihn einen ganz anderen Eindruck. Das Fremde wirkte.
    Sie begrüßte ihn in französischer Sprache:
    „Meine Schwester hat mir von Ihnen erzählt“, sagte sie mit verheißungsvollem Lächeln. „Seien Sie daher willkommen, obgleich wir uns eigentlich von keinem sehen lassen und auch mit keinem sprechen dürfen. Nur meiner Schwester wegen will ich eine Ausnahme machen, denn sie liebt Sie.“
    „Sie liebt mich?“ fragte er, freudig überrascht.
    „Ja. Sie hat es mir gestanden.“
    „Verteufelt, verteufelt! Ist das wahr, he, wie?“
    „Ja“, antwortete seine erste Bekanntschaft in gutgespielter Verschämtheit, indem sie ihre Arme um ihn schlang und ihren Kopf an seine Brust drückte.
    „Mädchen, sprichst du keine Lüge?“
    „Nein, o

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