49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
ab.
Das Boot hatte so angelegt, daß Normann und Wallert zuerst aussteigen mußten. Im selben Augenblick trat, als letzterer eben den Fuß an das Land gesetzt hatte, ein wie ein gewöhnlicher Arbeiter gekleideter Mensch an ihn heran und fragte:
„Bist du Wallert Effendi?“
„Ja“, antwortete der Gefragte, darüber erstaunt, daß dieser unbekannte Türke seinen Namen kannte.
„Ich habe dir zu sagen, daß du dich in acht nehmen sollst.“
Mit diesen Worten wollte er sich entfernen; aber Wallert ergriff ihn schnell beim Arm.
„Wo soll ich mich in acht nehmen?“ fragte er rasch.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht auf dem Kirchhof.“
„Wer läßt es mir sagen?“
„Sie!“
Gleich darauf riß er sich los und lief davon. Das war in der Tat befremdend.
Der als Türke Gekleidete war hinter Wallert ausgestiegen. Auch er hatte das kurze Gespräch gehört, obgleich der geheimnisvolle Bote nicht die Absicht gehabt hatte, laut zu sprechen. Es zuckte wie ein fröhliches Lächeln über sein schönes Gesicht. Schnell trat er näher an Wallert heran.
„Entschuldigung mein Herr, wenn ich mich zum zweiten Mal an Ihre Güte wende, nachdem ich Sie bereits einmal belästigt habe. Dieser Mensch nannte einen deutschen Namen. Ist es etwa der Ihrige?“
„Ja. Ich heiße Wallert.“
„So sind Sie also ein Deutscher?“
„Allerdings.“
„Dann mache ich mir das Vergnügen, Sie als Landsmann zu begrüßen. Darf ich mich Ihnen vorstellen?“
Sie waren während dieses Gespräches keineswegs am Ufer stehengeblieben, sondern langsam fortgeschritten. Der Sprecher griff jetzt in ein kleines, goldbesticktes Saffiantäschchen, das an seinem Gürtel hing, und zog eine Karte heraus, die er Wallert überreichte. Auf derselben war der einfache Name ‚Oskar Steinbach‘ zu lesen.
Wallert verbeugte sich und stellte Normann vor. Alle drei begrüßten sich durch einen herzlichen Händedruck.
„Wer hätte in Ihnen einen Deutschen vermuten dürfen“, meinte Normann. „Sie tragen sich ja wie ein Stocktürke.“
„Ich pflege mich den Gewohnheiten und Gebräuchen desjenigen Landes, in dem ich mich befinde, anzubequemen.“
„Ah, so reisen Sie also viel?“
„Allerdings. Ich habe das Schicksal des Ewigen Juden, nirgend Ruhe zu finden.“
Bei diesen Worten glitt es wie ein Schatten über seine Züge, doch fuhr er sogleich in munterem Ton fort:
„Landsleute sollen sich nicht nur kennenlernen, sondern sich auch einander zur Verfügung stellen. Ich tue das hiermit.“
„Danke herzlich!“ antwortete Wallert in seiner einfachen, aber vornehmen Weise. „Wir sind Ihnen sehr verbunden. Vielleicht will es der Zufall, daß wir uns einmal wieder begegnen.“
„Der Zufall? Wollen Sie es nur diesem überlassen? Der Mensch soll Herr seines Geschickes sein. Ich hänge außerdem mit vollstem Herzen und mit ganzer Seele an dem Vaterland und fühle mich stets erfreut, wenn ich in der Ferne ein Kind der heimatlichen Erde erblicke. Darum soll der Zufall keine Geltung haben. Ich bin hier vielleicht besser eingewurzelt als Sie. Sollten Sie daher in die Lage kommen, irgendeiner Hilfe, eines Freundes zu bedürfen, so haben Sie nur die Güte, sich nach dem alten Kutschu Piati zu bemühen und dort den Pferdeverleiher Halef nach meinem Namen zu fragen.“
„Das klingt ja sehr geheimnisvoll!“ lächelte Normann.
„Ist aber sehr einfach. Noch einfacher freilich wäre es wohl, wenn Sie mir jetzt erlauben wollten, an Ihrem gegenwärtigen Spaziergange teilzunehmen.“
Er sagte das so unbefangen, als ob es sich ganz von selbst verstehe, aber in seinem Augenwinkel bildete sich dabei ein kleines Fältchen, aus dem die Schalkhaftigkeit blickte.
Die beiden Freunde befanden sich in einer kleinen Verlegenheit. Sie konnten den liebenswürdigen Landsmann unmöglich mitnehmen, wollten ihm aber die ebenso höfliche wie wohlgemeinte Bitte auch nicht abschlagen.
Er fühlte das sofort heraus und fügte daher, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu:
„Ich habe keineswegs die Absicht, Ihnen meine Person aufzuzwingen, aber ich empfinde das Gefühl, daß Sie meiner vielleicht bedürfen werden.“
„Welchen Ursprung könnte dieses Gefühl haben?“
„In dem Menschen, der mit Herrn Wallert sprach. Ich glaube gehört zu haben, daß Sie gewarnt worden sind.“
„Die Warnung gehörte wohl an eine andere Adresse“, versuchte Wallert auszuweichen.
„Oh, der Mensch nannte doch Ihren Namen! Sie sollen sich in acht nehmen, und zwar auf dem Kirchhof. Der Warner
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