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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nannte das Wort ‚sie‘; sein Auftrag stammt also von einer weiblichen Person. Das ist hier gefährlich. Der Abendländer hat die Gewohnheit, den Orient in romantischem Licht zu sehen, leider aber zerfällt diese Romantik bei näherer Betrachtung in gewöhnlichen Staub, und es bleibt nichts zurück als die Gefahr, der der Fremde verfällt, weil er entweder von derselben gar keine Ahnung hat, oder doch wenigstens ihre Größe unterschätzt. Ich darf Sie natürlich nicht bitten, mich in Ihre Geheimnisse einzuweihen, aber ich erlaube mir wenigstens, Sie zu fragen, ob Sie bewaffnet sind.“
    „Man geht hier ja nie unbewaffnet aus.“
    „So bedienen Sie sich nötigenfalls nicht eines Schießgewehres. Eine Pistole macht zu viel Lärm. Ein Messer ist da viel vorteilhafter. Es arbeitet im stillen, man kann sich in Sicherheit bringen, bevor andere bemerken, daß man gezwungen war, sich zu verteidigen.“
    „Ach, auf so bösem Wege gehen wir nun freilich nicht!“
    „Oh! Hm!“ lächelte Steinbach nachdenklich. „Bitte, wollen Sie mir gestatten, mir Ihre Wohnung zu notieren?“
    Wallert nannte und beschrieb sie ihm. Jener machte darauf, als er die Notiz in sein Taschenbuch eingetragen hatte, eine sehr höfliche, aber doch einigermaßen gönnerhafte Verbeugung.
    „Es soll mich freuen, Sie wiederzusehen, denn ich betrachte einen jeden Landsmann, solange er mir nicht feindlich gegenübergetreten ist, als Freund, und Freunde pflegt man ja doch nicht zu vergessen. Leben Sie wohl, meine Herren!“
    Dann wandte er sich ab und schritt weiter, einem nahen Gebäude zu, hinter dem er verschwand. Dort aber hemmte er seinen Schritt, und während sein Gesicht einen ernsten, sinnenden Ausdruck annahm, flüsterte er vor sich hin:
    „Wo habe ich nur ganz genau dieselben Gesichtszüge schon gesehen, die dieser Wallert hat? Ich habe sie gesehen, das ist gewiß, und zwar unter eigentümlichen, ungewöhnlichen Umständen. Ich fühle das, obgleich es mir augenblicklich unmöglich ist, mich zu erinnern. Diese beiden jungen Leute scheinen einem Abenteuer nachzugehen, und Abenteuer sind hier immer mit mehr oder weniger Gefahr verbunden, besonders, wenn eine weibliche Person dabei die Hand im Spiel hat. Sie haben unbedingt eine Heimlichkeit vor. Einen Landsmann weist man nicht so unmotiviert ab. Sie wollten mich nicht bei sich haben, und doch interessiere ich mich für sie auf eine nicht ungewöhnliche Weise. Ich erfahre da einmal wieder, wie schnell man für ganz fremde Personen eingenommen werden kann. Ich werde ihnen unbemerkt folgen. Es ist mir ganz so, als ob sie mich sehr gut brauchen könnten.“
    Die beiden Freunde schritten indessen die Mauer entlang, die sich von dem Palast Konstantins hinab nach Jeni Bagtsche zieht. Dort liegt der Kirchhof, der das Ziel ihres Spazierganges war.
    „Eine eigentümliche Begegnung“, meinte Wallert. „Scheint es dir nicht auch so?“
    „Ganz gewiß. Dieser Mann macht einen imposanten Eindruck. Nicht nur seine Gestalt ist eine königliche, sondern sein ganzes Auftreten läßt darauf schließen, daß man es mit einem ungewöhnlichen Geist zu tun habe. Dieses dunkle Auge hat wirklich die Macht, in das Innere anderer zu dringen.“
    „Er hat uns sofort durchschaut. Warum teilte er uns aber seine Adresse nicht mit? Warum sagte er uns nicht, wer er ist und was er hier tut?“
    „Das ist auch mir unverständlich! Er verglich sich mit dem Ewigen Juden. Vielleicht haben wir es hier mit einem geistreichen Abenteurer, mit einer neuen Auflage von Cagliostro, Casanova oder Graf von Saint Germain zu tun.“
    „Diesen Eindruck macht er nicht. Doch schau dir einmal die Gestalt an, die dort an der Wasserleitung hinschreitet. Wenn das nicht ein Engländer ist, und zwar ein höchst verrückter, lasse ich mich fressen.“
    Da, wo die Wasserleitung aus Ederne Kapussi kommt, um nach dem Wege von Redosto zu führen, lief eine lange, hagere Gestalt. Sie war nur von hinten zu sehen, doch erkannte man deutlich, daß Zylinderhut, Rock, Hose und Fußbekleidung aus einem sehr auffälligen, grau und schwarz gestreiften Zeug bestanden.
    „Ah, wie kommt der Mensch hierher?“ meinte der Maler lachend. „Gestatte mir, daß ich dir deinen Cousin vorstelle, Lord Eaglenest!“
    „Wie? Das ist er?“
    „Wie er leibt und lebt.“
    „Dann ist es allerdings wahr, was ich von ihm gehört habe. Er ist verrückt.“
    „Nicht verrückt, aber ein Sonderling.“
    „Du sprachst von vorstellen. Wir können ihn ja gerade jetzt gar nicht

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