Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nicht.“
    „Aber ich denke, Sie wollen sie doch entführen?“
    „Natürlich.“
    „Nun, so müssen Sie doch wissen, wo sie wohnt?“
    „Allerdings, aber das ist nicht notwendig, denn sie selbst wird uns jetzt hinführen.“
    „Uns? Wen meinen Sie damit?“
    „Das sind natürlich wir, Sie und ich.“
    „Ach so! Also sie will uns jetzt wirklich in ihre Wohnung führen?“
    „Natürlich; sie hat es mir ja versprochen.“
    „Wo treffen wir sie denn?“
    „Da, wo Sie ausgestiegen sind. Sie will dort warten.“
    Jetzt begann im Kopf des Malers eine Ahnung zu dämmern.
    „Wie kamen Sie denn mit ihr zu sprechen?“ fragte er gespannt.
    „Nun, sie kam aus dem Friedhof und ging nach den Oliven zu. Ich begegnete ihr, und da grüßte sie mich in englischer Sprache. Dann fragte ich sie, ob sie mich kenne, und sie behauptete, mich in der Paulskirche gesehen zu haben, wo ich während des Orgelspiels die Blasebälge getreten habe – “
    Da konnte sich Normann nicht länger halten. Er brach in ein lautes, herzliches Lachen aus. Das ärgerte natürlich den Engländer, und er stieß mit dem Regenschirm zornig auf die Erde.
    „Was feixen Sie denn?“ rief er pikiert. „Ich denke nicht, daß eine Entführung etwas Lächerliches ist. Man riskiert doch allemal ein Stückchen Haut dabei.“
    „Allemal! Hahaha! Also Sie haben ihr die Hand geküßt?“
    „Natürlich! Und was für ein Händchen! Ich sage Ihnen, sie war eine richtige, echte Türkin. Das sah ich schon daraus, daß sie keinen Begriff von einer wirklichen, ordentlichen Ehe hatte. Sie machte mir nämlich den Vorschlag, daß wir beide, Sie und ich, uns in sie teilen sollten, nachdem wir sie entführt haben würden. Jeder sollte sie immer acht Tage zur Frau haben.“
    Normann brach abermals in ein lautes Lachen aus.
    „Ja, jetzt können Sie lachen“, meinte der Lord, „dagegen habe ich nichts, denn das kommt mir nun selbst ungemein spaßhaft vor. Aber wenn ich nicht irre, sagte doch dieser Deutsche, der ein Pascha zu sein scheint, daß Ihr Freund sich entfernt habe.“
    „Ja, wir treffen ihn am Wasser. Kommen Sie, Mylord.“
    Als sie an das Ufer kamen, hielt ein Kaik da, in dem Wallert wartend saß. Seine Augen leuchteten lustig auf, als er den Engländer erblickte. Normann stellte beide vor. Der Lord nahm den Deutschen sehr genau in Augenschein.
    „Wunderbar!“ sagte er zu ihm. „In meiner Galerie habe ich das Porträt eines Verwandten, dem Sie sehr genau gleichen. Aber bitte, Herr Normann“, wandte er sich dann an den Maler, „der Kaiktschi will ja schon fort!“
    „Soll er nicht?“
    „In keinem Fall! Sie wissen ja, auf wen wir warten.“
    Wallert gab sich Mühe, eine unbefangene Miene zu zeigen.
    „Soll noch jemand mit überfahren?“ fragte er.
    „Ja, eine Dame“, antwortete der Lord sehr ernsthaft.
    „Das wäre sehr interessant! Sie meinen natürlich eine abendländische Dame?“
    „Nein, eine Türkin, die wir heute abend entführen werden.“
    „Ah, ist es das? Da würden wir vergeblich warten. Es kam nämlich vorhin ein verschleiertes Frauenzimmer hierher und sagte mir, daß Lord Eaglenest kommen und sie hier erwarten werde. Ich solle ihm aber mitteilen, daß die Entführung heute unmöglich sei.“
    „O weh! Hat sie keine andere Zeit genannt?“
    „Nein.“
    „Auch keine Adresse? Ihren Namen, ihre Wohnung?“
    „Nein.“
    „Da schlage doch der Teufel drein! Wie unvorsichtig von ihr! Wie kann ich sie entführen, wenn ich nicht weiß, wer sie ist und wo sie wohnt! Nun sitzt sie in ihrem Harem, fängt Grillen und kann nicht heraus. Schade, jammerschade! Es war eine Schönheit, eine pikante Schönheit. Ihr Händchen duftete so eigentümlich, halb nach Zigarre und halb nach Rizinusöl und einem Tropfen Bergamottengeist. Das war vielversprechend, denn der Zigarrengeruch deutet auf einen festen Charakter und der Rizinusölduft auf ein weiches, elastisches Gemüt. So fällt einem die schönste Freude in den Brunnen.“
    Er senkte den Kopf und schüttelte ihn langsam und mißmutig hin und her.
    Als sie am jenseitigen Ufer ausgestiegen waren und den Weg nach ihrer Wohnung einschlugen, strich der junge Mensch an ihnen vorüber, der Wallert vorhin gewarnt hatte. Normann erkannte ihn sofort wieder und hielt ihn am Arme fest.
    „Halt!“ sagte er. „Du bist uns einmal entwichen, wirst es aber nicht zum zweiten Mal.“
    Der Betreffende mochte vielleicht neunzehn Jahre alt sein. Er trug sich, wie bereits gesagt, wie ein gewöhnlicher Arbeiter,

Weitere Kostenlose Bücher