49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
unterscheiden!“
„Aber der Solitär! Der Diamantring! Sie trug ihn, und er hatte ihn doch auch, wie du sagst.“
„Das ist allerdings ein Rätsel. Aber ich werde es schon lösen. Ich sage dir, daß ich deine Worte wahrmachen werde, du magst sie im Ernst oder im Scherz gesagt haben. Ich gehe heute abend hinaus, und sollte es auch nur sein, um zu rekognoszieren.“
„Rekognoszieren?“ fragte spöttisch der Engländer. „Unsinn. Fällt keinem Menschen ein, zu rekognoszieren.“
„Weshalb denn nicht?“
„Rekognoszieren ist doch viel zuwenig. Heraus muß sie, heraus, sie mag wollen oder nicht.“
„Wenn sie nicht will, bleibt sie eben drin“, lachte der Maler.
„Oho! Ich will aber eine Entführung! Ich will sie, und ich werde sie fertigbringen, so glänzend, daß die größten Komponisten sich um das Recht streiten sollen, eine Oper darauf zu komponieren. Da erscheine ich dann mit ihr in eigener Person auf der Bühne. Ich singe den Heldentenor, und sie singt den Verlobungsdiskant oder den Hochzeitssopran mit allen möglichen Läufern und Trillern. Ja, man soll mich kennenlernen und auch sie, wenn sie nämlich schön genug ist, sich neben mir sehen zu lassen.“
Die beiden Freunde stimmten herzlich lachend in seine gute Laune ein. Doch meinte der Maler sehr bald wieder ernsthaft:
„Es ist vor allen Dingen nötig, daß du dich prüfst, lieber Hermann. Hat ihr Anblick nur vorübergehend auf dich gewirkt, so wäre es ja lächerlich, tolle Wagnisse zu unternehmen. Ist aber der Eindruck, den sie machte, ein tiefer, ein dauernder, so bin ich der allerletzte, der dich darob schmähen möchte. Ich habe hier ja auch erfahren, was Liebe ist und bin bereit, mit dir durch dick und dünn zu gehen.“
„Ja, ich auch“, fiel der Lord ein. „Ich gehe sogar viel lieber durch dick als durch dünn mit Ihnen. Auch ich weiß nun, was Liebe ist, ich habe sie hier kennengelernt, und darum reiße ich alles um, was sich mir in den Weg stellt.“
„Sie haben hier die Liebe kennengelernt?“ fragte Normann verwundert. „Hier in Konstantinopel?“
„Ja, draußen vor dem Friedhof unter den Olivenbäumen. Als ich ihr das süße Händchen küßte, da zuckte so ein Stoß durch meine Seele, so ein Stoß, gerade als ob ich mich mit dem Knauf einer Reitpeitsche – “
Er hielt mitten in seiner Erklärung inne. Sein Mund blieb weit geöffnet, und seine Augen waren mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf Wallerts Hand gerichtet.
„Weiter, weiter!“ sagte Normann.
„Alle tausend Himmel und Wolken –!“ entfuhr es endlich dem Engländer.
„Was gibt es denn? Was haben Sie?“
„Herr Wallert, haben Sie eine Zwillingsschwester?“
„Warum diese Frage?“
„Eine Zwillingsschwester, die in London in der Paulskirche beim Blasebalgtreter gewesen ist und sich jetzt hier in Konstantinopel entführen lassen will?“
„Nein.“
„Nicht? Welch eine Ähnlichkeit dann! Ihre Hand gleicht nämlich ganz genau derjenigen, welche mir die Holde reichte. Sie hatte auch so eine kleine, allerliebste Narbe auf der oberen Seite des Mittelfingers, wie von einer Blatter oder einer kleinen Verletzung. Während des Handkusses erblickte ich das Närbchen genau. Und der Ring, der Ring! Genau auch so!“
„Oh, Sie täuschen sich wohl!“
„Nein, nein. Ich habe doch meine Augen.“
„Dann ist es ein Zufall.“
„Anders ist es nicht zu erklären. Ich befinde mich förmlich in Aufregung, und ich muß meinen Gefühlen Luft machen, muß irgendeine entführen, ganz egal, welche! Darum schlage ich vor, wir machen uns heute abend auf und versuchen, diese Zykyma über die Mauern herüberzubringen. Nicht wahr?“
„Nicht so sanguinisch!“ meinte der Maler. „Solche Sachen wollen gute Weile haben und reiflich überlegt sein. Bei einer Entführung ist auch die Zustimmung derjenigen nötig, welche entführt werden soll.“
„Zustimmung? Unsinn! Das Mädchen wird gar nicht erst gefragt, sondern angefaßt, aufgeladen und fortgeschafft. Eine Entführung mit Einwilligung ist keine Heldentat.“
„Oh, sie ist auch mit Einwilligung schwierig und gefährlich genug. Was tun Sie mit einer Person, die gegen ihren Willen entführt worden ist?“
„Hm! Na, was tun Sie denn mit einer, die eingewilligt hat, Master Normann?“
„Heiraten natürlich!“
„Das können Sie ja mit der andern auch tun!“
„Wenn sie nicht will?“
„Pah! Wir alle drei sind hübsch genug. Ich möchte das Mädchen sehen, das einen von uns nicht haben
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