49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Auge schweifte dabei mit einem unwillkürlichen und unbewachten Blick von Emineh weg und hinüber auf deren errötende Gefährtin. Da hob die Prinzessin warnend den Finger und fragte lächelnd:
„Solltest du etwa mich mit dem Bild der Sonne meinen?“
„Ja.“
„Nicht eine andere?“
„Kann es in deiner Gegenwart und neben dir eine andere geben, die man vor deinem Angesicht mit dem leuchtenden Gestirn des Tages vergleichen dürfte?“
Emineh hob drohend den Finger.
„Jetzt sollte ich dir zürnen“, sagte sie vorwurfsvoll, „denn du bist in diesem Augenblick nicht aufrichtig, sondern du hast die Höflichkeit der Abendländer, die der einen sagen, was die andere hören soll. Und da du also wie ein Franke handelst, so will ich dich auch nach der Sitte der Franken verabschieden. Hier ist meine Hand, die eigentlich kein Mann berühren sollte. Ich bin mit dir zufrieden. Geh mit Allah, der dich geleiten und schützen möge in allen Fährnissen und Sorgen des Erdenlebens.“
Steinbach beugte sich nieder und zog die Spitzen der kleinen schneeweißen Finger an seine Lippen. Dann verneigte er sich auch vor der anderen und wollte sich eben zum Gehen wenden. Da sagte Emineh, der Freundin zunickend:
„Halt! Willst du der einen die Höflichkeit versagen, die du der anderen widmest? Weißt du nicht, daß dies eine schwere Beleidigung für sie sein würde?“
Das wunderbar schöne Gesicht der jungen Freundin, auf die diese Worte Bezug hatten, erglühte tief, so daß sie sich unwillkürlich zur Seite wandte. Dennoch reichte sie Steinbach ihr Händchen und sagte:
„Also hier, auf hohen Befehl!“
Steinbach hatte seine Hand bereits ausgestreckt, jetzt aber zog er sie rasch wieder zurück.
„Auf Befehl?“ fragte er ernst. „Willst du mir etwa ein Almosen geben? Ich würde es zurückweisen!“
Und bei diesen Worten stand er vor ihr, so stolz, so männlich-schön, daß es ihr nicht entgehen konnte. Es überkam sie eine gewaltige Regung der sie augenblicklich gehorchen mußte, ohne zu fragen, ob dies auch klug und geraten sei. Sie streckte ihm anstatt vorher der einen Hand, jetzt alle beide entgegen und antwortete:
„O Allah, ein Almosen?! Da sieh, daß ich dir gern beide Hände zum Gruß gebe!“
Da griff er blitzschnell zu und zog eins dieser kleinen samtweichen Händchen nach dem anderen an seine Lippen. Es war ihm, als flute ein leiser, beglückender Strom von ihr zu ihm herüber. Er behielt, sich selbst vergessend, diese Hände länger in den seinigen und legte seine Finger fester um sie, als es die Höflichkeit erfordert hätte. Und es schien ihr ebenso wie ihm zu ergehen, denn er fühlte ihren Gegendruck; dann aber entzog sie ihm plötzlich ihre Hand. Das Blau ihrer Augen hatte einen tieferen feuchten Ton angenommen, ihre feinen Nasenflügel zitterten leise, und um die Lippen zuckte eine tiefempfundene Seelenerregung, deren sie kaum noch Herr zu werden vermochte.
Nun wandte er sich ab und schritt von dannen, dahin, wo er den Engländer zu treffen vermeinte. Die beiden aber blickten ihm nach, bis er hinter dem dichten, mit Blumen besäten Boskett verschwunden war.
„Das war ein Mann!“ sagte dann die Prinzessin halblaut, wie zu sich selbst.
„Bei seinem Anblick denkt man sogleich an die Märchen von ‚Tausend und einer Nacht‘.“
„Oder an unsere berühmtesten Sultane und Kalifen. So wie er muß der starke Omar ausgesehen haben!“
„Oder der mächtige Khalid, der das Schwert des Propheten genannt wurde. Es konnte ihm keiner widerstehen, und er kämpfte stets dem Heer voran, im dichtesten Knäuel der Feinde.“
„Meinst du damit, daß diesem hier auch niemand zu widerstehen vermöge?“ fragte Emineh, indem ein schalkhaftes Lächeln über ihr Gesicht glitt.
„Daß er tapfer ist und kühn sogar, das haben wir ja gesehen. Er besiegte den Leoparden mit dem bloßen Blick.“
„Nur den Leoparden?“
Das Auge der Fragerin war mit eigentümlich forschender Innigkeit auf das Gesicht der Freundin gerichtet. Diese senkte die langen seidenen Wimpern, so daß ihr Auge in deren Schatten lag und antwortete:
„Ich verstehe dich nicht.“
„O du Liebe, wie willst du dich vor mir verbergen! Warum willst du zweifeln, daß ich in deiner Seele lesen kann? Ich will dir das Beispiel der Aufrichtigkeit geben und dir gestehen, was ich sonst keiner sagen würde. Wenn ich nicht bereits liebte, so würde mein Herz keinem anderen gehören als diesem stolzen, schönen, geheimnisvollen Mann. Meine Seele würde
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