49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
des Harems sich nur mit Putz, Schmuck und Klatsch beschäftigen, und man hat ja in den meisten Fällen recht, aber gerade weil ich eine Sultana bin, werde ich das Weib eines Fürsten sein, und darum habe ich die Augen geöffnet, um zu sehen, wo andere nicht sehen, wo selbst berufene Männer ihre Augen schließen oder sich mit der goldenen Brille verschließen lassen. Bin ich das Weib eines Regenten, so werde ich alle meine Liebe und meinen ganzen Einfluß aufbieten, daß er sein Volk glücklich mache. Und dieser Fürst ist – ist – ah, jetzt erst bemerke ich, wie weit wir von unserem Thema abgekommen sind. Jetzt erst gelange ich zu ihm zurück, von dem ich ausgegangen bin. Wir sprachen ja von meiner Liebe!“
„Deren Gegenstand ich so gern erfahren möchte!“
Die beiden Freundinnen waren langsam weitergeschritten, Arm in Arm und freundlich aneinander geschmiegt, in ihren weißseidenen, orientalischen Gewändern ein Bild, das man eben nur innerhalb der Mauern eines Harems zu bewundern vermag.
„Ahnst du ihn nicht?“ fragte Emineh.
„Wie könnte ich?“
„Oh, wir haben ja von ihm gesprochen!“
„Wann?“
„Heute, vorhin. Er sandte mir sein Bild.“
„Allah 'l Allah! Der Vizekönig?“
„Ja.“
„Welch ein Zufall!“
„Das ist kein Zufall. Es gibt keinen Zufall. Der Moslem weiß, daß Allah alles bestimmt. Im Buch des Lebens ist jede Tat, jedes Ereignis seit Ewigkeit verzeichnet. Allah will es, Allah hat es befohlen daß mein Herz gerade den liebe, der mich zum Weib begehrt.“
„Kennst du ihn denn?“
„Ja. Es war vor zwei Jahren, als er sich hier in Stambul befand. Wir feierten den Ramadan, und er hatte keine Privatwohnung erhalten, sondern wohnte mit dem Großherrn in dessen Palast. Beide saßen oft beieinander, um über das zu sprechen, was ihnen das wichtigste sein mußte: das Wohl des Landes, das Glück des Volkes. Ich befand mich hinter dem Gitter und hörte alles. Der Vizekönig sprach so gut, er zeigte sich so edel, ich sah und erkannte, daß Allah ihn mit den schönsten Gaben, die ein Mann besitzen soll, ausgestattet habe, und ich fühlte, daß mein Herz ihm gehöre. Seit jener Zeit bin ich Diplomatin gewesen.“
„Ah, ich verstehe dich!“
„Man spricht von den Intrigen der Harems. Es ist wahr, daß es solche gibt. Aber was ich erreichen wollte, das ist gut. Wir Frauen kämpfen ja oft von unserer Abgeschiedenheit aus gegen die Männer, die zwar an der Spitze des Volkes stehen, aber gegen das Glück der Untertanen handeln, und so habe auch ich meinen ganzen Einfluß angestrengt, um das zu erreichen, was heute geschehen ist: Er hat mir sein Bild geschickt, und ich werde seine Sultana sein.“
„O Allah! Wie gönne ich dir das! Wie freue ich mich, daß du glücklich bist!“
„Ja, ich bin glücklich, sehr glücklich!“
„Und ich wußte von alledem gar nichts! Du warst so ernst, so gleichgültig als du mit seinem Boten sprachst, als dieser dir sein Bild zeigte.“
„Meinst du, daß ich einem Fremden Gelegenheit geben werde, in mein Herz zu blicken? Ich habe innerlich gejubelt, während ich äußerlich nichts von meiner Freude merken ließ. Das Herz ist das richtige Heiligtum, es ist der Harem, dessen Leben, dessen Vorgänge kein Unberufener schauen darf. Was wird er denken, was wird er sagen, wenn er mein Bild erblickt?“
„Er hat dich noch nicht gesehen?“
„Wann und wo sollte er mich gesehen haben? Du sprichst nicht wie eine Tochter des Morgenlandes, sondern du redest wie eine Abendländerin, deren Gesicht ein jeder schauen darf.“
Die Freundin blickte vor sich nieder. Es ging ein eigentümliches Zucken über ihre sonnenhellen Züge, fast so, als ob sie sagen wolle: „Oh, wenn du wüßtest!“ Sie brachte es jedoch fertig, in unbefangenem Ton zu entgegnen:
„Ob es wohl wirklich eine Sünde ist, sich von einem Mann anschauen zu lassen?“
„Meine Antwort auf diese Frage hast du bereits gehört oder vielmehr gesehen.“
„Ich erinnere mich nicht.“
„Nicht? Habe ich vorhin nicht mein Gesicht diesem Fremden gezeigt? Hast du nicht ganz dasselbe getan? Allah hat der Frau in ihrer Schönheit eine Macht geschenkt, und was Allah gibt, das soll man in Weisheit gebrauchen. Unsere Mullahs aber verdammen uns zum Gegenteil, zur Entsagung, die gegen Allahs Willen und also gegen die Natur ist. Solange wir im Harem abgeschlossen bleiben wie schädliche Geschöpfe, mit denen niemand in Berührung kommen darf, und solange wir unser Gesicht unter dem Schleier
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