49 Stunden
Nacht bei einer Freundin war.
Was sollte Susi jetzt nur tun?
Noch einmal mit Mary sprechen, würde nichts bringen. Sie hatte sie bereits mehr als einmal gefragt und damit ziemlich verärgert.
Sollte sie die Polizei rufen? Aber was sollte sie denen denn sagen? Meine Arbeitgeberin verhält sich verdächtig, ich mache mir Sorgen, weil sie sich so komisch benimmt und Dinge sagt, die keinen Sinn machen, ihre Tochter ist verschwunden, angeblich ist sie bei einer Freundin ...?
Die Polizei würde sie doch für verrückt halten. Da war absolut nichts Kriminelles dran. Zumindest schien es nicht so – Susi wusste es besser. Und deshalb ging sie in den Flur, wo das große Adressbuch lag, und suchte eine bestimmte Telefonnummer heraus.
Sie schrieb die Nummer ab und schlug das Buch wieder zu. Dann ging sie in ihr Zimmer und verschloss die Tür. Sie tippte die Nummer in ihr Handy ein und wartete.
›› Dillon Bradley‹‹, meldete sich eine freundliche Stimme.
Sie hatte Staatsanwalt Bradley schon immer nett gefunden. Seit Jahren wusste sie, dass er auf Mary stand, das war ja nicht zu übersehen. Doch Mary hatte mit Männern nichts mehr am Hut. Schade, wo sie doch so ein schönes Paar abgegeben hätten: die große, schlanke, brünette Richterin und der ebenfalls große, gut gebaute, schwarzhaarige Staatsanwalt. Wie im Film, fast zu schön, um wahr zu sein. Nur dass diese Geschichte anscheinend kein Happy End nehmen wollte.
›› Mr. Bradley? Hallo, hier spricht Susan Collins.‹‹
›› Susan Collins?‹‹, fragte er etwas verwirrt.
›› Äh, Susi, die Nanny von Richterin Walters. Wir sind uns ein paarmal begegnet‹‹, versuchte sie es.
›› Aah, Miss Collins. Jetzt weiß ich Bescheid. Tut mir leid, der Name sagte mir im ersten Moment nichts.‹‹
›› Das macht nichts, ich bin ja bei allen auch nur als Susi bekannt.‹‹
›› Also, Miss Collins, oder Susi, wenn Sie möchten, was kann ich denn für Sie tun?‹‹
›› Es geht um Mary. Ich mache mir große Sorgen und weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll.‹‹
Stille. Dann: ››Mary? Was ist denn mit ihr?‹‹
Sie wusste nicht, wie sie beginnen sollte. Die ganze Sache ergab überhaupt keinen Sinn.
›› Also, am besten erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte in Kurzform und dann können Sie selber darüber urteilen.‹‹
›› Na, dann los!‹‹, forderte Dillon sie auf.
›› Gestern hat Mary sich frei genommen, um den Tag mit Katie zu verbringen. Sie sind ins Aquarium gegangen, waren beide richtig fröhlich, als sie losgingen. Danach wollten sie noch ein bisschen shoppen und etwas essen gehen, das hatte Mary mir zuvor erzählt. Sie hat mir den Rest des Tages frei gegeben. Dann kam sie aber schon viel früher als geplant nach Hause – ohne Katie. Sie sagt, Katie sei angeblich bei einer Freundin, einer alten Bekannten von Mary, die eine Tochter in Katies Alter hat. Dort wolle sie übernachten, was Mary ganz gut passe, da sie viel zu arbeiten hat. Seit Katie weg ist, benimmt sich Mary aber total komisch, sieht schlimm aus, echt mitgenommen, als ob irgendwas passiert wäre. Heute Morgen sagte sie mir dann, dass Katie noch eine weitere Nacht wegbleiben würde, und das, wo morgen Schule ist!‹‹
Susi wollte nur Luft holen und dann weiter erzählen, doch Dillon hatte bereits das Wort übernommen: ››Kann es denn nicht sein, dass Katie sich wirklich so gut mit diesem anderen Mädchen versteht und sie deshalb länger bleiben will?‹‹
›› Ich glaube, es gibt gar kein anderes Mädchen‹‹, sagte Susi. ››Mary will mir keinen Namen nennen, und Katie hat vorher noch nie irgendwo anders übernachtet, nicht einmal bei ihrem Dad, zumindest nicht mehr, seit ich hier bei ihnen bin, und das sind schon zwei Jahre. Es ist eine Schulnacht und Katie hat gar keine Ersatzkleidung oder einen Pyjama dabei. Das Ganze kommt mir Spanisch vor, ich weiß auch nicht, aber ich habe ein ganz schlimmes Gefühl. Und eben habe ich gehört, wie Mary fast verzweifelt sagte, dass sie sich bessern würde, wenn sie wieder mit Katie vereint wäre. So als ob sie ihr jemand genommen hätte und sie nicht wüsste, ob sie sie je wiedersieht.‹‹
›› Zu wem hat Mary das gesagt?‹‹, wollte Dillon wissen.
›› Zu sich selbst. Sie weiß nicht, dass ich sie gehört habe. Ich mache mir ganz schreckliche Sorgen, Mr. Bradley.‹‹
***
Was hatte Susi ihm da gerade erzählt? Er konnte es nicht fassen!
Die ganze Nacht hatte er an Mary gedacht und daran,
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