49 Stunden
irritiert.
›› Nein, sie hat mich angerufen und gefragt, ob sie noch eine Nacht länger bleiben kann. Ich habe nichts dagegen, denn ich habe heute noch einen Haufen Arbeit.‹‹
›› Aber ist das nicht … ungewöhnlich? Dass Katie gleich zwei Nächte am Stück weg ist? Morgen ist immerhin Schule.‹‹
›› Das weiß ich!‹‹, fuhr Mary sie an. Sofort fügte sie entschuldigend hinzu: ››Tut mir leid, Susi. Katie wird von meiner Bekannten zur Schule gefahren. Ich habe dem zugestimmt, du hast doch kein Problem damit, oder?‹‹
›› Nein, nein.‹‹ Sie schüttelte schnell den Kopf. ››Ich dachte nur … Katie war noch nie über Nacht weg. Ich habe mir irgendwie Sorgen gemacht, dass … es klingt wahrscheinlich blöd, aber ist irgendetwas vorgefallen? Vielleicht mit deinem Ex-Mann?‹‹
›› Das ist tatsächlich blöd, Susi. Es ist nichts vorgefallen, alles ist in bester Ordnung. Ich habe nur viel zu tun und war deshalb einverstanden mit der Übernachtung. Und nun gehe ich auch und mache mich an die Arbeit.‹‹ Sie nahm ihren Kaffeebecher und ging damit rüber in ihr Büro. Es war 9:12 Uhr.
Susi blieb verdutzt zurück.
***
Er war ihr gefolgt. Sie war wirklich nur joggen gegangen. War meilenweit den Strand entlang gelaufen und wieder zurück. Was hatte die Frau nur für eine Kondition? Er selbst hätte schon nach hundert Metern schlapp gemacht. Aber dazu hatte er ja auch sein Auto, um nicht laufen zu müssen. Und in dem war er ihr unauffällig hinterhergefahren. Als sie sich an den Strand gesetzt hatte, schien es ihm fast so, als würde sie weinen. Er hasste das! Am liebsten wäre er den Leuten, denen er Schlimmes antat – antun musste – danach nie mehr wieder begegnet.
Sie hatte sich also allen Anschein nach wirklich an die Forderungen gehalten und niemandem etwas gesagt – das hoffte er zumindest. Er hatte wirklich schon genug davon, ein kleines Kind entführen zu müssen – ein Mord wäre jetzt einfach zu viel des Guten gewesen.
Carlo hatte gemordet – mehr als einmal. Für Harry. Weil er die Drecksarbeit normalerweise nicht selbst erledigen wollte. Außer natürlich wenn es um Ex-Frauen und ihre dümmlichen neuen Männer ging. Dann bereitete es Harry große Freude, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. In was für eine Lage er sie damit beide gebracht hatte, das ging ihm mal wieder am Allerwertesten vorbei.
Kurz dachte Carlo darüber nach, wie es wohl wäre, wenn er Harry tatsächlich mal seine Schuld bezahlen lassen würde, wenn er ihn einfach im Kittchen versauern ließe. Könnte er Harry wirklich zurück lassen, im Stich lassen und allein abhauen? Nach Mexiko? Ein neues Leben beginnen?
Der Gedanke brachte Carlo zum Lächeln. Er war schön. Zu schön, um wahr zu werden. Er wusste, er musste noch so einiges zu Ende bringen, was auch immer das sein sollte, und dann würde er am Montag vor dem Knast stehen und Harry abholen, wenn der auf freien Fuß gesetzt wurde. Und dann? Das wusste nur Harry.
***
Marge hatte sie zum Spielen hinaus geschickt, gleich nach dem Frühstück. Sie sagte, sie wolle ihre Ruhe haben, die Kinder sollten Katie mit raus nehmen und auf sie aufpassen, ››Sonst passiert aber was!‹‹
Katie war Tamara gefolgt und spielte nun gemeinsam mit ihr im Garten. Sie saßen auf zwei brüchigen Schaukeln, deren Seile aussahen, als ob sie jeden Augenblick reißen würden, weshalb Katie sich auch nicht traute, hoch zu schaukeln. Sie stieß sich nur immer wieder ein wenig mit den Füßen ab und schwebte leicht über dem Boden, Tamara dagegen schien keine Bedenken zu haben und holte ordentlich Schwung.
Katie sah sich um. Sie hörte genau hin, auf jedes Geräusch. Vielleicht würde sie irgendwie herausfinden, wo genau sie war, wo sich dieses Haus befand. Nicht dass sie sich groß in Chicago auskannte, aber es musste doch eine Möglichkeit geben, wieder nach Hause zu kommen.
Dann hörte sie es! Es hörte sich an wie ein Zug, die ››L‹‹, die Hoch- und Untergrundbahn von Chicago. Sie stand auf und ging ein Stückchen den Garten entlang.
›› Was machst du? Wo willst du hin?‹‹, fragte Tamara, die Angst hatte, Ärger mit ihrer Mutter zu bekommen, wenn sie nicht gut auf Katie Acht gab.
›› Ich hab keine Lust mehr zu schaukeln, ich wollte nur mal sehen, was es hier sonst noch gibt‹‹, sagte sie.
Sie konnte sie entdecken, die Gleise hoch über den Häusern. Sie liefen direkt vor ihr entlang, ein Stück weit entfernt zwar, aber sie konnte sie
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