49 Stunden
sich nehmen würde, wenn sie nur endlich wieder in ihr schönes Zimmer und zu ihrer Mommy durfte.
Außerdem gab es hier nur solch widerliche Getränke – dieses braune Zeugs namens Cola zum Beispiel. Sie vermisste den Früchtetee, den Susi ihr immer zubereitete. Katie vermisste Susi eh am allermeisten. Susi war ihre Freundin, ihr konnte sie alles anvertrauen. Sie sah sie viel häufiger als ihre Mommy. Susi machte sich sicher schon große Sorgen um sie.
Katie ging mit dem Eimer auf den Wasserhahn zu, der sich außen am Haus befand. Sie füllte ihn randvoll und sah dabei immer wieder zu Tamara, die weiter im Schlamm suchte. Dann kam auf einmal Josh und sie fingen wieder an zu streiten. Tamara war auf Josh konzentriert, würde sie es bemerken, wenn Katie davonlief? Wann würde es ihnen auffallen und wie lange würden sie brauchen, bis sie sie eingeholt hätten?
Sie wusste, dass dies wahrscheinlich ihre einzige Chance war zu fliehen, und sie würde sie nutzen. Sie stellte behutsam den Eimer ab, machte ein paar leise Schritte rückwärts, bis sie ums Haus herum war, und dann fing sie an zu rennen, so schnell sie konnte.
***
Mary hielt es nicht länger aus. Sie hatte den halben Tag an ihrem Schreibtisch gesessen und darüber gegrübelt, wie man Harry Castello dran kriegen könnte, doch am Ende war immer nur das Offensichtliche dabei herausgekommen: Man müsste seine Forderungen befolgen, wenn man nicht wollte, dass Blut floss.
Allein der Gedanke daran, seine Männer könnten Katie ein Haar krümmen, versetzte sie in Angst und Schrecken.
Sie, Mary Walters, hatte eine Tochter namens Katie, die sie sehr liebte, die das Beste war, was sie in ihrem Leben zustande gebracht hatte, das Einzige, worauf sie wirklich stolz sein konnte. Doch sie hatte bis jetzt nicht gewusst, wie sehr sie Katie wirklich liebte. So etwas begriff man anscheinend erst, wenn es bereits zu spät war.
Mary war es als Richterin gewohnt, hart durchzugreifen, streng und manchmal auch furchteinflößend zu sein, wobei sie versuchte, diese Eigenschaften abzulegen, bevor sie durch ihre Wohnungstür in ihr Heim kam. Doch sobald sie im Gericht war, war nicht gut Kirschen essen mit ihr. Sie mochte es, wie sie von allen behandelt wurde, mochte den Respekt, den man ihr entgegenbrachte, auch wenn das hieß, dass sie sehr einsam war, denn ihre Mitarbeiter schätzten sie zwar sehr im Beruf, konnten aber nach Feierabend gut und gerne auf sie verzichten.
Bisher hatte es Mary nicht viel ausgemacht, doch gerade jetzt hätte sie sich eine Person gewünscht, der sie alles erzählen, bei der sie sich anlehnen konnte.
Sie dachte an Dillon. Sollte sie ihn anrufen? Ihn einweihen? Würde – könnte er Stillschweigen bewahren? Immerhin war es auch sein Fall, er war der zuständige Staatsanwalt. Er war dafür zuständig, dass Harry Castello für immer das Handwerk gelegt wurde, um keiner Menschenseele je wieder etwas antun zu können. Wie würde er reagieren, wenn Mary ihm die ganze Geschichte erzählte?
Sie hatte noch immer ein schlechtes Gewissen wegen gestern Abend. Sie war unfreundlich, ja beinahe grob zu ihm gewesen. Was musste er nun von ihr denken? Und das, wo sie gerade dabei waren, sich näher zu kommen.
Sie fragte sich, ob Dillon wusste, dass sie am Abend zuvor zum ersten Mal einer Verabredung mit einem Mann zugestimmt hatte? Zum ersten Mal seit der Scheidung von Glenn. Jahrelang hatte sie sich dagegen gewehrt, in letzter Zeit aber hatte sie Gefallen an dem Gedanken gefunden, wieder einen Mann in ihr Leben zu lassen. Nicht irgendeinen Mann, sondern Dillon Bradley.
Das war ja mächtig in die Hose gegangen. Gestern Nachmittag, als er sie um ein Date bat, war sie noch ganz euphorisch gewesen, aber wer hätte da erahnen können, was kurz darauf geschehen würde?
Mary legte das Gesicht in die Hände und fing wieder einmal an zu schluchzen. Was war nur mit ihr los? Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Sonst war sie immer so gefasst, so stark. Wo war ihre Fassung nur hin?
Ach, verdammt, dachte sie, wer kann schon von einem erwarten, das alles durchzustehen, ohne den Mut zu verlieren? Ganz allein. Allein. Allein.
***
Das Telefon klingelte. Carlo war mal eben nach Hause gefahren, um sich frischzumachen. Er hatte so lange im Wagen am Lakeshore Drive gesessen, dass sein Hintern schon ganz taub war. Irgendwann hatte er begriffen, dass die gute Richterin Walters heute nicht mehr ihr Haus verlassen würde. Sie hatte sich verkrochen, zählte wahrscheinlich die Stunden,
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