5 1/2 Wochen
direkt an dem Fluss Arlanzón steht, zu gelangen.
Diese Pilger-Unterkunft ist wirklich beeindruckend. Das Haus ist sehr groß und das Grundstück drum herum noch umfangreicher und mit uraltem Baumbestand dekoriert. Hier sind also alle anderen Pilger. Endlich, nach so langer Zeit, zeigen sie sich mir mal wieder. Sofort frage ich nach meinen Freunden, beschreibe sie und erzähle von der Party gestern Abend. Ich höre, dass sie alle schon weg sind. Ich halte Ausschau nach Ina. Wer weiß, vielleicht ist sie ja zufällig noch hier. Unter den vielen netten Leuten ist niemand den ich kenne. Auf einer gemütlichen Holzbank nehme ich Platz und schau mich begeistert um. Ruddi liegt lang ausgestreckt im kühlen saftig grünen Gras. An dieser Stelle nehme ich den Stress und Lärm der Stadt überhaupt nicht wahr, ich sehe auf den Fluss, betrachte die großzügigen Grünflächen und bemerkenswerten Bäume. Die Pilger strahlen Ruhe und Frieden aus. Manche liegen im Schatten auf dem Rasen, andere sitzen an den Holztischen und erzählen sich was, essen, schreiben oder lesen.
Ich traue meinen Augen nicht, als ich den Hund erkenne, der mich gestern den ganzen Tag begleitet hat. Der ist doch tatsächlich mit jemand anderem mitgelaufen und lässt sich gerade von seinem „neuen Herrchen“ mit Wurstbroten futtern. Ruddi und er begrüßen sich kurz. Ich werde auch eines Blickes gewürdigt, aber damit ist die Sache für ihn auch erledigt. Es beruhigt mich, zu sehen, wie gut es ihm geht - so fern seiner vermeintlichen Heimat.
Mit neuer Energie, aber Schmerzen im ganzen Körper, trete ich die letzten zirka sechs Kilometer der heutigen Etappe an. Beim Verlassen der Stadt atme ich auf und tief durch. Es geht auf sehr angenehmen Landwirtschaftswegen weiter bis Villalbilla de Burgos. Etwa hundert Meter vor mir geht eine Frau, die ein Fahrrad mit einem Anhänger schiebt. Ich wundere mich, warum sie nicht fährt. Der Weg ist ideal zum Radfahren. Sie ist wahrscheinlich speziell nur für mich zu Fuß unterwegs. Sie wirkt wie ein Magnet, der mich mitzieht. So beschleunige ich, von Neugier und der Lust mit ihr zu reden, getrieben, meinen Schritt ein wenig, um sie einzuholen.
Als ich mich ihr nähere fällt mir auf, dass sie auch aus dem letzten Loch pfeift. Sie freut sich, mich zu sehen und klärt mich darüber auf, dass sie einen Plattfuß am Anhänger hat. Das macht das Fahren unmenschlich schwer. Sie ist als Fahrradpilgerin unterwegs und hat alles, inklusive Zelt dabei. Das von zu Hause mitgebrachte Flickzeug ist bereits verbraucht und somit ist sie nun ziemlich verzweifelt, angesichts der Tatsache, dass sich ein so schwer beladener Anhänger auch nur mit sehr viel Kraft schieben lässt. Sie bezweifelt, im nächsten Ort das Benötigte kaufen zu können. Bei all ihren Problemen übersieht sie Ruddi nicht und bietet ihm an, dass er sich in ihrem Anhänger auf einer Decke ein bisschen ausruhen darf. Sie meint, die paar Kilo mehr würden auch nicht mehr auffallen. Mein Hund zieht es allerdings vor, zu laufen. Ja, ja: „Wie der Herr so’s Gscherr!“ Um sie abzulösen, mache ich den Vorschlag, ein Stück das Fahrrad zu schieben. Das lehnt sie entschieden ab. Das will sie nicht zulassen, das gehöre zu ihrem Jakobsweg dazu. Ich verstehe: Es ist für sie das gleiche, wie für mich, meinen Rucksack selbst zu tragen, egal wie kaputt ich bin.
Nach ein paar Kilometern setzt sich meine neue Pilgerbekanntschaft auf ihr Fahrrad und tritt schwer in die Pedale. Sie kann nicht mehr schieben. Ihr tut der Rücken davon weh. Das Etappenziel Villalbilla de Burgos ist jetzt zu sehen und nicht mehr weit entfernt. Es mag noch ein guter Kilometer sein. Ganz langsam entfernt sie sich von mir.
Gleicher Tag (insgesamt 298 km gelaufen)
Villalbilla de Burgos (720 Einwohner), 833 m üdM, Burgos
Hotel, Doppelzimmer, 25 Euro pro Person ohne Frühstück
Mir fällt sofort ein Storchenpaar auf, als ich Villalbilla betrete. Ich bin sehr erstaunt darüber, dass es hier jede Menge Storchennester gibt. In meiner Heimat gibt es keine Störche. Ich habe dort jedenfalls noch nie einen gesehen. Einige Zeit beobachte ich ihr Treiben. Sie sind mit dem Nestbau beschäftigt. Würden meine Füße nicht streiken, bliebe ich noch viel länger stehen, um mir dieses Schauspiel anzusehen.
Nun steht die Aufgabe an, eine Unterkunft zu finden. Dieser Ort ist für einen Pilger und seine Bedürfnisse ziemlich groß mit seinen 720 Einwohnern. Ich überlege, ob es unbedingt sein muss, Ruddi in
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