5 1/2 Wochen
jungen Lämmchen. Ein ebenso junger Schäferhund hat gerade seine Ausbildung begonnen und sein Meister (anscheinend seine tierische Mama) zeigt ihm - wahrscheinlich zum ersten Mal - wie man seine Schäfchen zusammenhält. Der kleine Hund ist noch sehr unbeholfen und tollpatschig. Es ist eine Wonne, ihm zuzusehen. Ich will ja nix Falsches sagen, aber ich glaube, so manches Schaf macht ihm ne lange Nase und die Lämmchen versuchen sich mit ihm anzufreunden und auf ihre Seite zu ziehen, damit sie die komplette Weide samt der Straße erobern können. Der Schafhirt hat alle Hände voll zu tun. Aber er nimmt es mit spanischer Gelassenheit und fängt immer wieder laut an zu lachen. Ich liebe die Spanier jeden Tag mehr.
Fünfzig Meter weiter links befindet sich eine Herberge. Die ist mindestens voll, wenn nicht noch mehr. Es handelt sich unverkennbar um Pilger. Sie kümmern sich um ihre nasse Wäsche, schreiben ihre Tagebücher, knabbern an den Proviantresten des Tages, hängen in den Seilen, humpeln nach Pilgerart über den Rasen.
Ja, liebe Leser, auch nach 436 Kilometern hat der Pilger seinen ganz bestimmten ihm eigenen Gang. Sie sehen dem Wallfahrer an, dass er täglich neue Muskeln, Sehnen und Knochen in seinem Körper entdeckt, die ihm sagen: „Was Du hier seit Wochen treibst, sind wir nicht gewöhnt.“ Hämisch grinsend flüstern sie ihm zu: „Jaaaaa, wir wollen Dir wehtun! Wenn Du von Deinem Stuhl aufstehen willst, tun wir Dir weh. AAAAAH! Wenn Du in der Dusche stehst und verzweifelt versuchst Deine Füße zu erreichen, um sie zu waschen, dann: Aaauuuu, tun wir Dir weh! Jeder soll sehen, dass Du ein Pilger bist, egal was Du anhast, ob mit oder ohne Rucksack. Neiiiiin! Du kannst Dich nicht verstecken! Auch diese Nacht, wenn Du schlafen willst, wecken wir Dich immer wieder auf und tun Dir weh!”
Interessanterweise spürt der Wanderer tagsüber beim Laufen am wenigsten von den körpereigenen Biestern. Also sind sie in Wahrheit gar nicht so böse, insgeheim wollen sie es auch, wetten?
Es wird immer voller hier in dem Ort und es gibt keine freien Tische mehr. Vier Personen fragen, ob sie sich zu mir setzen dürfen. Ich stimme sofort freudig zu. Mal sehen, wen ich heute Abend näher kennenlernen darf. Sie erzählen mir, dass sie aus Österreich kommen. Es sind zwei Ehepaare, die sich schon viele Jahre kennen und zusammen das Abenteuer Jakobsweg bewältigen wollen. Sie sind gut drauf, haben einen ganz eigenen Humor, nehmen sich selbst auch gerne mal auf die Schippe und bringen mich so zum Lachen, dass mir die Tränen laufen. Wir steigen von Limo und Café con leche auf Wein um. Ich wette, wenn hier draußen Musik wäre, würden wir alle zum Tanzen bringen.
Nach geraumer Zeit fragen mich meine neuen Pilgerfreunde, wo ich denn übernachten würde. Ach du Schreck! Da weiß ich keine Antwort drauf. Es ist schon ziemlich spät geworden. Hab vor lauter Spaß ganz vergessen, ein Zimmer zu belegen. Na dann: Prost erst mal! Als die nette Bedienung uns das nächste Getränk bringt, frage ich, ob sie mir einen Übernachtungstipp geben kann. Sie lacht und zeigt auf ihr Haus. „Sí, sí, señora, aquí!“ Ich staune darüber, dass es hier überhaupt Zimmer gibt. Und dann ist auch noch eins frei! Ich zeige auf Ruddi und sehe sie fragend an. „Qué bonito, no problema. Ven conmigo! (Wie süß, kein Problem. Komm mit mir)!“ Die Österreicher sind begeistert: „Wir haben uns auch bei ihr eingemietet. Dann sehen wir uns später bestimmt noch.“
Schnell folge ich der freundlichen Spanierin die Treppe hinauf. Sie zeigt mir ein Zimmer unterm Dach. Ganz klein, ganz einfach: ein schmales Bett, ein Hocker, ein kleiner Schrank, ein Waschbecken (direkt am Fußende des Bettes), wenig Fußboden. Das hat den Vorteil, dass man - egal wie viel Wein man auch getrunken haben mag - nicht umkippen kann. Ich frage irritiert nach dem Bad. Sie legt verbindlich ihren Arm um meine Schulter und führt mich den Flur hinunter. Hinter der dritten Tür befinden sich eine Toilette und Badewanne in einem grau-schwarz gefliesten engen Raum - Punkt, nicht viel Schnickschnack - hält nur den Staub fest. Diese antike sanitäre Anlage wird von den Bewohnern dreier Zimmer gemeinsam benutzt. Jetzt weiß ich, warum ich im Arm gehalten werde. Damit ich mich von den Gegebenheiten nicht abschrecken lasse, sondern die gute Energie spüre, die zweifelsfrei vorhanden ist. „15 Euro. Okay?“ Ich höre mich sagen: „Sí, señora, okay!“
Diese Frau macht so einen
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