5 1/2 Wochen
Gesichtsausdruck: „Na ja, ich brauchte einen Moment, bis ich mich an das eiskalte Wasser in der Dusche gewöhnt hatte. Aber ihr wisst ja wovon ich rede!“ „Gehst Du immer kalt duschen?“ Und die beiden Frauen direkt und wie aus einem Munde: „Respekt, das könnte ich nicht. Warum machst du so was?“ „Hattet Ihr etwa heißes Wasser?“ Vorsichtig kommt die Antwort: „Joooh...“ Nur Heinz hält sich etwas zurück und meint: „Da waren bestimmt zu viele hintereinander duschen, bei mir war es schon nur noch lauwarm.“ Was soll ich dazu noch sagen? Wer zu spät kommt, den erwischt es eben zuweilen eiskalt!
Wir haben an diesem Abend noch eine Menge Spaß und finden den Absprung viel zu spät. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns bald wieder über den Weg laufen, denn so eine unschuldige Gaudi muss man einfach so oft erleben wie es eben geht. Da mein Zimmer sehr übersichtlich ist, finde ich ruckzuck ins Bett und in den Dämmerzustand. Ruddi ist froh, als endlich Ruhe herrscht. Ich höre noch kurz in mich hinein und vernehme deutlich die Worte: Genieße - lass los - freu Dich - geh weiter - sei glücklich - bleib offen... Mehr krieg ich nicht mehr mit, bin im „Weingebiet“ der Träume angekommen.
Dienstag, 6. Mai 2008
El Burgo Ranero (273 Einwohner), 878 m üdM, Provinz León
22. Etappe bis Puente de Villarente, 25,2 km
Heute werde ich zärtlich von vorbeifahrenden LKW geweckt. Da wir uns in einem kleinen idyllischen Dörfchen befinden und diese Pension nicht an der Hauptstraße liegt, wird sich hier in gemäßigtem Tempo fortbewegt und folglich relativ geräuscharm. Es dauert einen Moment bis ich richtig zu mir komme und mich sortiert habe. Ich habe außergewöhnlich fest geschlafen und bin etwas verunsichert, was die Tageszeit angeht. Der Himmel ist strahlendblau. Draußen herrscht schon rege Betriebsamkeit. Auf dem Flur hingegen ist nicht ganz so viel los, aber immerhin bin ich nicht die Letzte. Und solange noch andere Pilger in einer Pension sind, kann es noch nicht Mittag sein.
Das wäre fatal, denn die heutige Etappe wird hart, lang und heiß. Wir befinden uns für die nächsten zirka 40 Kilometer im “páramo”, im Ödland. Ich habe vor, bis Puente de Villarente zu laufen. Insgesamt wären das dann 25,2 Kilometer. Mal sehen was der Tag so bringt und wie weit meine Füße mich tragen.
Den Blick auf die Uhr mache ich um kurz nach sieben. Puh, das ist nochmal gutgegangen. Beruhigt und gelassen mache ich mich am Fußende meines Bettes am Waschbecken zu schaffen. Tja, Anziehen ist erst mal nicht. Oh Mann, wo mögen meine sieben (oder acht) Sachen sein? Um das zu erfahren, bleibt mir nichts anderes übrig, als zunächst die Wirtin zu kontaktieren. Bin mal gespannt, wo ich sie auftreibe. Die hat doch jetzt alle Hände voll zu tun! Es ist Frühstückszeit!
Fest entschlossen, sie zu finden und dann auch noch mit meiner Wäsche zu belästigen, betrete ich den Flur. Meinem Zimmer gegenüber steht eine Kommode. Darf ich meinen Augen trauen? Auf diesem Möbel liegen doch tatsächlich - getrocknet und fein säuberlich zusammengefaltet - meine Pilgerklamotten. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Diese Wirtin muss ein Engel sein. Das muss ich ihr gleich noch sagen, falls sie es selbst noch nicht gemerkt haben sollte.
Der Morgen beginnt wie der Abend geendet hat. Meine vier Österreicher sitzen am gleichen Tisch wie gestern und winken mich fröhlich ran. Der freie Stuhl ist meiner. Den Tellern nach zu urteilen sitzen sie schon länger hier, haben auch schon aufgehört zu essen. Mir zuliebe trinken sie aber noch einen Kaffee, bevor sie losmarschieren. Wir sind alle fünf gespannt, wann und wo wir uns das nächste Mal wiedersehen. “Buen Camino!”
Nicht ohne mich persönlich von meinem “Engel” zu verabschieden und ihr herzlich für die himmlischen Taten an mir und meiner Wäsche zu danken, verlasse ich El Burgo Ranero so gegen halb neun. Nun liegt der gleichförmigste und zugleich längste Abschnitt von dreizehn Kilometern vor mir. In eintönigem Gleichmaß geht es auf den ständig zurückweichenden Horizont zu. Die tausende von Bäumen, die am Wegesrand gepflanzt wurden, sind noch nicht groß genug, um Schatten zu spenden. Wenigstens verläuft neben der markierten Route eine Bahnlinie, so können sich meine Augen ab und zu mal etwas Abwechslung gönnen.
Bevor ich weiter in Negativität abrutsche, suche und finde ich einen positiven Gedanken: Der Weg ist schön einfach. Ohne aufzupassen kann ich die
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