5 1/2 Wochen
wenn sie nur abscheuerregend sind.
Endlich kann ich mich wieder bewegen und spüre meine Schienbeine gar nicht mehr. Sie sind einfach nicht mehr da. Ich stolpere die Treppe hinunter, stürze in die Bar und setze mein breitestes Grinsen auf, das mir in dieser Situation zugänglich ist. Warum ich nicht gleich rauslaufe? Weil ich nicht verfolgt werden möchte, entweder weil sie denken, ich würde die Polizei rufen oder aber, weil sie einfach Bock drauf haben. Zuzutrauen wäre es ihnen. Nein! Ich muss deutlich machen, dass ich nicht alleine bin! Mann, hab ich Schiss!
Mit gespielter Freude, meinem Handy für alle sichtbar in der Hand und sehr eilig werfe ich den Schlüssel auf die Theke und sage beim Rausgehen aufgeregt zu der Bardame: „Amigo, telefone, yo Albergue él ésta aqui, lo siento, adiós.“ Wörtlich übersetzt heißt das so was wie- „Freund, Telefon, ich Herberge, er ist gleich da, tut mir leid, Tschüss.“ Ich beherrsche mich sehr, nicht zu rennen und dennoch sehr eilig wegzugehen.
Ich fühle mich beobachtet und verfolgt, bis ich das andere Hotel, links vom Kreisverkehr erreicht habe. Ich funktioniere nur, ich habe mich momentan nicht wirklich unter Kontrolle. Bevor ich hier irgendetwas unternehme muss ich wieder bei Verstand sein. Also trinke ich einen Café con leche, lasse das Geschehene in Kürze nochmal Revue passieren und mache mir klar, dass ich nun in Sicherheit bin und in den Schnell-wieder-vergessen-Modus umschalten sollte. Um mich herum herrscht reges Treiben. Es sind ganz viele Leute hier unterwegs. Ganz normale Leute; an der Rezeption entdecke ich einige Rucksäcke, deren Besitzer sich gerade ein Zimmer reservieren. Die Räumlichkeiten sind schön eingerichtet, hell, übersichtlich und einladend. Und es riecht so gut! Wüsste ich es nicht besser, könnte ich mir nicht vorstellen, dass es nur zweihundert Meter von hier entfernt die „dunkle Seite“ gibt.
Mein Verstand funktioniert wieder und gibt mir unmissverständlich zu verstehen: „Schön, dass wir das geschafft haben, aber jetzt zackig: Zimmer buchen, bevor alles belegt ist.“ Ach so! Kann man mir das nicht ansehen, dass ich hier übernachten will?
Ruddi und ich sind herzlich willkommen und Minuten später befinden wir uns in einem echten Hotelzimmer. Es ist so groß, so duftend sauber, so hell! Das Bad: So viele Handtücher, so viel Platz, so viel Glanz. Toll! Ich bin angekommen, rupfe Perritos Tasche aus dem Rucksack, lasse mich aufs Bett fallen und meinen Blick zufrieden und beruhigt umherwandern. Ruddi weiß von nichts und schläft schon tief und fest in seiner weichen Decke wie jeden Abend.
Ohne Essen kann ich aber doch nicht schlafen gehen. Mein Körper schreit danach und mein Appetit ist auch so langsam wieder da. Vorher muss ich auf jeden Fall in die Dusche, auch wenn es schon sehr spät geworden ist. Ich habe mich noch nie so dreckig gefühlt. Der Gestank der beiden Zimmer in der „Räuberhöhle“ steckt in meiner Nase fest. Sehr lange lasse ich ganz viel heißes Wasser an mir runter laufen, um den Dreck loszuwerden und die schlechten Energien den Abfluss runterzuspülen. Die gleiche Prozedur gönne ich meinen Klamotten - dreimal so viel Wasser und Waschmittel wie üblich.
Kurz bevor ich mein Zimmer verlassen will, um endlich essen zu gehen, klingelt mein Handy. Ich brauche einen Moment, bis ich das Geräusch zuordnen kann. Ich bekomme einen Schreck: Ob was Schlimmes passiert ist? Bitte nicht! Vorsichtig und fragend melde ich mich und höre unglaublich erleichtert die fröhlichen Stimmen meiner Eltern. Wie es mir geht, wollen sie wissen. Also, dass sie gerade heute anrufen ist schon ein Ding! Aber meine Eltern hatten das immer schon gut drauf, mir diese Frage im richtigen und passenden Moment zu stellen. Sie fühlen, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist. Ich erzähle ganz kurz und in sehr abgeschwächter Form von dem Erlebten, auch von den höllischen Schmerzen in meinen Schienbeinen heute Nachmittag. Mami und Papi staunen nicht schlecht über diese Neuigkeiten und Baby geht es noch besser, jetzt wo es allen Kummer loswerden konnte. Die Überraschung des Tages ist aber, dass meine Eltern mir heute 300 Euro überwiesen haben, damit ich nicht so auf den Cent gucken muss, vor allem bei der Zimmersuche. Ist das nicht ein Ding? Durchs Telefon knutsche ich die beiden und führe einen Freudentanz auf, angesichts der überraschenden Finanzspritze. Womit habe ich das verdient? Meine Eltern antworten mir darauf: „Wir
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