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5 1/2 Wochen

5 1/2 Wochen

Titel: 5 1/2 Wochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Kürten
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mich aufs Zimmer geführt hat, bedient mich auch. Hurra, er sieht mir in die Augen! Er nimmt meine Bestellung entgegen und macht mit einem verschmitzten Lächeln beim Servieren einen großen, eleganten Bogen um meine Tasche. Das Essen ist ebenso großartig wie alles hier. Wie war das noch? Die Spanier mögen keine Hunde? Nein, sie scheinen sie zu lieben!
    Relativ spontan finde ich mein Zimmer wieder. Jetzt ist mir auch klar, warum ich so abgelegen untergebracht bin: Hier kommt keiner mehr vorbei und Ruddi hat folglich keinen Grund zu bellen oder sich sonstwie bemerkbar zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das kein Zufall ist und finde es wunderbar.
    Heute bin ich besonders stolz auf mich. Trotz strömenden Regens hab ich alles in allem 27 km geschafft. Ungefähr sieben Kilometer musste ich Perrito tragen und wieder fällt mir meine Mutter ein: „Wenn Du ihn tragen musst, dann hast du auch die Kraft dafür.“ Wie wahr! Meine Schienbeine haben sich übrigens erst nach dem Essen gemeldet. Und jetzt schlafen wir nach einigen Minuten Reiki in aller Eintracht gemeinsam ein.

Samstag, 10. Mai 2008
    Santa Catalina de Somoza (50 Einw.), 997 m üdM, Provinz León
    26. Etappe bis Manjarín, 21 km

    Ich traue mich gar nicht aus dem Fenster zu sehen. Die Geräusche, die von draußen zu mir dringen sind mir sehr bekannt und ich will das nicht hören. Es regnet immer noch. Ich kuschel mich noch ein bisschen tiefer in meine Bettdecke und die Verführung einfach mal einen Tag im Bett zu bleiben ist sehr groß. Bei genauerem Hinhören, fällt mir hingegen sehr angenehm auf, dass der Sturm sich verzogen hat. Nur Regen? Weiter nichts? Na gut, dann steh ich doch auf! Seichter Mai-Regen macht ja bekanntlich schön.
    Zum Frühstück haben sich wahrscheinlich komplett alle zur gleichen Zeit verabredet. Das Lokal ist brechendvoll. Ruddi hat den Tarnumhang übergeworfen und weilt an meiner Brust. El Ganso ist nur vier Kilometer entfernt. Bis dahin werde ich es wohl ohne Frühstück überleben. Entschlossen bezahle ich mein Zimmer und verabschiede mich mit einem Zwinkern und „Gracias por todo“ von meinem Salvador (Retter).
    Im großen Torbogen draußen vor der Tür stehen jede Menge Rucksäcke rum. Die Pilgerkollegen sind alle total aufgeregt. Was ist denn bloß los? Sie schnattern wie die Gänse auf der Wiese kurz vor dem Weihnachtsfest. Es scheint Bedrohliches auf uns zuzukommen. Bevor ich mich hier anstecke, mach ich mich lieber auf den Weg. Wenn es ernst wäre, hätte mich der hilfsbereite Wirt mit Sicherheit gewarnt. Ich quetsche mich mit meinem Rucksack auf dem Rücken und Ruddi unterm Poncho - also viel Volumen -durch die Menge. Niemand nimmt mich wirklich wahr. Ich schnappe immer wieder auf dass es eine Unverschämtheit von „ganz oben“ ist, die Himmelsschleusen nicht für heute geschlossen zu halten. Ja, meine lieben Freunde, mein Statement dazu würde lauten: „Finde den Mut Dinge zu ändern, die Du ändern kannst. Finde die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die Du nicht ändern kannst. Sei weise, zwischen diesen beiden zu unterscheiden.“ In diesem Fall müsst ihr nicht besonders weise sein!
    Ich gebe zu: Es ist deutlich mehr, als ein erfrischender Mai-Regen und die Temperatur dürfte auch ein bisschen höher sein. Aber die ganze Aufregung bringt einen schließlich nicht weiter und so verlasse ich unbemerkt die Pilgerkolonie. Ich muss lachen, als ich - endlich mit viel Platz um mich herum - im Regen stehend die Kulisse von außen betrachte. Amüsiert rufe ich ihnen ein „buen camino, amigos“ zu. Aber das dringt nicht zu ihnen durch.
    Einige Meter weiter mach ich mich fünf Kilo leichter und setze Ruddi vor mir ab. Wie von der Tarantel gestochen läuft er los. Der hat schon meine Gedanken gelesen und weiß, dass er gleich wieder in das „böse“ Regencape einziehen soll. Auf einer Bank am Ortsrand ist es dann soweit. Ich krame das Ding raus und... Perrito ist nun wirklich unsichtbar. Ich kann ihn nirgends entdecken. Lachen oder heulen? Ich will zumindest versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen, wenn ich noch eine Chance habe und er mich jetzt nicht für immer verlassen hat. Aber so eine Quälerei wie gestern, kommt auch für mich nicht mehr in Frage.
    Ich halte Ausschau nach ihm. Wo steckt der denn nur? Das gibt es doch gar nicht! Ich lasse die Leckerchen-Tüte kreisen, aber auch das bringt nichts. Kein Hund in Sicht. Das zeigt mir deutlich, wie schlimm das Regencape für ihn sein muss. Leckerchen haben eine

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