5 1/2 Wochen
die Augen, zögert einen kurzen Moment und sagt dann mit einem tiefen Seufzer in der Stimme: „Si, señora, momento por favor.“ Naja, was soll ich sagen, ich kenne diese Blicke, wenn Ruddi unter meinem Poncho im Netz sitzt. Der Mann verschwindet in den hinteren Räumen und kommt nach geraumer Zeit mit einem Schlüssel in der Hand zurück.
Er führt mich über einen märchenhaft dekorierten, gekonnt beleuchteten Innenhof, eine ebenso schöne Treppe und einen mit exquisiten Accessoires geschmückten Gang. Noch eine Treppe und ein weiterer Gang. Alles ist sehr gepflegt und wertvoll. Die Böden sind mit großen terrakottafarbenen Fliesen belegt. Ab und zu wurde ein Mosaik eingebettet. Selten habe ich so was Schönes gesehen. Mehrmals biegen wir ab. Ich staune nicht schlecht. Das Ding ist riesengroß nach hinten raus! Als ich schon nicht mehr damit rechne, erreichen wir das für mich vorgesehene Zimmer. Es liegt ganz am Ende eines Laubengangs, der dem Rest des Hauses in nichts nachsteht.
Mir bleibt der Mund offen stehen, der Raum ist zwar nicht besonders groß, aber die ausgesuchte Einrichtung passt genau zu dem, was ich bis hierher gesehen habe. Insgesamt bin ich in einer Wohlfühl-Oase gestrandet. Nach der grauen, stürmischen und nassen Etappe bekomme ich nun meine Belohnung für mein Durchhaltevermögen. Ich wusste doch, dass das für was gut ist. Begeistert stehe ich, immer noch mit meinem Regenponcho bekleidet dumm rum. Ich möchte mich gerne meiner nassen Sachen entledigen, aber Ruddi darf ja nicht auffliegen. Der freundliche Señor fragt mich unaufdringlich, ob ich noch vorhabe, zum Essen zu kommen. Ich nicke zustimmend und nachdem er heimlich noch einen Blick auf meinen „Atombusen“ geworfen hat, lässt er mich alleine.
Als ich den Reißverschluss meines Ponchos öffnen will, trifft mich fast der Schlag. Der ist schon offen und Ruddi’s Kopf liegt, komplett und gut sichtbar für jeden, frei. Er guckt mich mit glänzenden, müden Augen an, als wenn er sagen wollte: „Reg Dich jetzt nicht auf. Alle haben mich gesehen, von Anfang an. Trotzdem haben wir ein Zimmer und außerdem wollten die Gäste nicht Dich umarmen, sondern mich ein bisschen knuddeln. Sorry!“
Mein Einzug in dieses Lokal läuft nochmal wie ein Film vor meinen Augen ab und ich krümme mich vor Lachen. Das muss für die Leute ein ganz besonderer Moment gewesen sein. Ein süßer, kleiner Hundekopf mit treuen schwarzen Knopfaugen, der offensichtlich nicht gesehen werden soll und sein Frauchen in einem knallroten Poncho, das nix mehr merkt. Klar, natürlich wollten sie mir was sagen. Sowas wie: „Du hast nen Schlitz im Poncho, aus dem dein Hund rausguckt und wir glauben, dass du das nicht willst!“ Will ich wissen, was in den Köpfen vorging? Vielleicht lieber nicht!
Vor dem Essen, auch wenn es schon sehr spät ist, muss ich aber noch duschen. Ich will jetzt am Ende des Tages, nach soviel kaltem Regen, endlich heißes Wasser über meinen unterkühlten Körper laufen lassen. Die Wäsche ist schnell gemacht - nass war sie ja schon. Da mich niemand offiziell auf meinen Hund angesprochen hat, beschließe ich vorsichtshalber, Ruddi inkognito in der Tasche zum Essen zu transportieren. Er ist mir dankbar dafür, kuschelt sich in seine Decke und fällt sofort in einen tiefen, wohlverdienten Schlaf.
Ich kann nur hoffen und beten, dass meine Nase noch funktioniert und ich dem Essensduft folgen kann. Ich konnte mir vorhin den langen Weg zwischen Theke und Zimmer beim besten Willen nicht merken. Es gab unterwegs viel zu viel zu sehen. So irre ich eine Weile mit müden Füßen durch die Gänge und nach vielen Anläufen finde ich kurz vor dem Aufgeben doch noch den Gastraum wieder. Es ist aber auch verzwickt und verwinkelt in diesem Märchenschloss, das im Vorbeigehen wie ein Hexenhäuschen aussieht.
Nun guckt mir keiner mehr auf die Brust. Die Leute sind jetzt eher an meiner übergroßen Handtasche interessiert - im Geheimen, nicht öffentlich. Ich nehme an einem Tisch Platz, an dem schon zwei Leute sitzen. Schnell finde ich heraus, dass sie ebenfalls pilgern. Wir kommen ins Gespräch und lassen uns über den vergangenen tückischen Tag aus. Nach einiger Zeit fragen sie mich hinter vorgehaltener Hand, wo denn mein Hund sei und ob ich nicht am Eingang das große Hunde-Verbots-Schild gesehen hätte. Ich erkläre die ganze Situation, zeige auf die Tasche, die wie immer neben meinem Stuhl steht und wir fangen laut an zu lachen.
Der gleiche Mann, der
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