5 1/2 Wochen
und er uns natürlich beide einlässt. Aber das passiert nicht.
Völlig aus der Fassung verlasse ich den christlichen Ort, lasse Ruddi aus dem Sack und schleiche um die Häuser. Tatsächlich finde ich ganz in der Nähe ein Hotel. Na endlich! Ich bin begeistert! An der Bar bestelle ich mir meinen wohlverdienten und dringend nötigen Café con leche. Obwohl die hier alle Hände voll zu tun haben - mindestens 40 Pilger klopfen mit Messern und Gabeln auf die Tische - werde ich sehr freundlich und zuvorkommend bedient. Also gibt es auch in Foncebadón herzliche Menschen.
Zu schnell ist dieser Traum ausgeträumt. Sie haben Ruddi lediglich zunächst übersehen. „Hier werden keine Hunde geduldet und außerdem ist kein Zimmer mehr frei.“ Diese Nachricht wird mir knapp und eiskalt überbracht. Nur schwer kann ich die Tränen zurückhalten und mein Entsetzen verbergen. „Was? Leute, guckt mal auf die Uhr. Es ist halb sieben! Vier Kilometer im dichten Nebel und Unwetter den Berg rauf und auch wieder ein Stück runter schaffe ich heute nicht mehr. Seht mich doch mal an. Ich bin völlig am Ende! Ihr werdet doch irgendwo in diesem großen Haus ein Eckchen haben, in dem ich übernachten kann - mit einer Tasche neben mir, in der ein Fünf-Kilo-Hund tief und fest schläft.“ Das sind meine wirren Gedanken, ich spreche das nicht aus. Ein Pilger kommt zu mir und fragt was los ist. Tränen rollen unaufhaltsam über mein Gesicht.
Er schnappt sich entrüstet die Wirtin und spricht auf Spanisch mit ihr über mein Dilemma. Sie lässt sich nicht erweichen, betont, dass sie kein einziges Bett mehr frei hat. Er kommt zu mir zurück, tröstet mich so gut er kann und plötzlich hat er die Idee: „Ich gebe Dir mein Zimmer. Ich schlafe in meinem Schlafsack hier im Restaurant, da hinten auf der Bank.“ Das bekommt die Señora mit und bittet mich mit einem Blick auf Ruddi, sofort zu gehen. Sie lässt mich nicht mehr aus den Augen. Der Pilger, der mir seine Hilfe angeboten hat, wird böse und setzt sich lautstark für mich ein. Bevor das hier eskaliert, ziehe ich den Rückzug vor. Ich bedanke mich bei ihm. Er will nicht, dass ich gehe, aber ich sollte keine Zeit mehr verlieren. Es wird immer später und es steht fest: In Foncebadón finde ich zum allerersten Mal, nach 550 Kilometern auf dem Jakobsweg, keine Unterkunft - nicht mal eine Ecke in einem Durchgangszimmer!
Heulend vor Wut verlasse ich das Dorf. Käme jetzt ein zähnefletschender Wolf auf mich zugerannt, würde ich ihn ohne mit der Wimper zu zucken mit der bloßen Hand umhauen. Und er würde für lange Zeit liegenbleiben! Schon Dreiviertelstunde später stehe ich vor dem berühmten Cruz de Ferro, an dessen Fuß jeder Pilger zumindest einen Stein ablegt, und habe überhaupt keinen Kopf dafür. Es ist mir gerade völlig egal, was um mich herum steht oder passiert. Dabei war ich so gespannt auf die symbolträchtigste Wegmarkierung des Caminos. Ich bekomme mich nicht in den Griff, zwinge mich aber dazu, wenigstens über den Steinberg zu laufen, der durch die Steine der unzähligen Pilger seit Jahrhunderten täglich größer wird. Das ist anstrengend und während ich hier auch noch Gefahr laufe, zu stürzen, berührt mich das uralte Monument kein bisschen. Ich will nur weg, weit weg von Foncebadón.
Noch zwei Kilometer, dann erreiche ich Manjarín. Hier gibt es eine Herberge, aber will und darf ich da übernachten? El Acebo ist von dort aus nochmal sieben Kilometer weit entfernt und ich müsste einen steilen Berg in der Dunkelheit hinunterlaufen. In meiner momentanen Verfassung ginge das selbst bei Sonnenschein nicht. Wenn ich stürze und mich verletze, findet man mich garantiert frühestens morgen und dazu noch als Eisblock. Das wäre unverantwortlich.
gleicher Tag (insgesamt 553,6 km gelaufen)
Manjarín (50 Einwohner.), 1458 m üdM, Provinz León
Herberge, Matratze, 10 Euro auf Spendenbasis inklusive Essen
Es ist 20 Uhr. Ich bin in Manjarín. Ich kenne diesen Ort aus dem Fernsehen, diversen Büchern und DVDs. Jeder, der sich auch nur kurz mit dem Camino Francés beschäftigt hat, kennt es. Es ist ein verlassenes Dorf, berühmt unter den Pilgern für das Lager, das von Tomás und seinen Leuten geführt wird. Sie bezeichnen sich als die letzten Templer. Das Lager leistet bei Bedarf gute Dienste, die Umgebung ist außergewöhnlich. Der Orden der Tempelritter wurde vor gut neunhundert Jahren gegründet. Sie haben sich unter anderem in einem Gelübde dazu verpflichtet, die Pilger
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