5 1/2 Wochen
auf ihrem Weg zu schützen.
Irgendwie bin ich sehr gespannt auf Tomás. Ich kenne ihn eben aus dem Fernsehen. Und wenn ich einen Blick auf das verlassene Dorf werfe, ist es kaum zu glauben, ausgerechnet hier auf so jemanden zu treffen. Seine Herberge ist jedenfalls nicht zu verfehlen. Einige große Hunde bellen, als ich näher trete. Es ist ein besonderer Ort. Es herrscht das Chaos, das steht schon auf dem Weg zum Eingang fest. Tausende Pilger-Souvenirs liegen auf Mauern, Tischen, Stühlen und hängen von Verstrebungen runter. Hier finden sich aber auch hunderte Wasserflaschen und Kanister, Plastik- sowie Blechtonnen, ungespülte Tassen und Gläser, Blumenkübel und -töpfe. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hingucken soll - bin überfordert von so vielen Eindrücken.
Vorsichtig bahne ich mir einen Weg Richtung Tür. Da kommt mir schon einer von Tomás Leuten entgegen. Er ist gekleidet wie ein Pirat - oder Templer? Das Auffälligste an ihm ist das dreieckige Kopftuch, das er um die Stirn gebunden hat. Er ist richtig gut drauf. Seine Augen haben so ein Leuchten. Ich sehe ihm an, dass er mit sich und der Welt zufrieden und im Reinen ist. Ihm folgen zwei große wunderschöne Mischlingshunde. Während die lautstark, aber freundlich meinen Perrito begrüßen, fällt mir auf, wie außergewöhnlich gut gepflegt sie sind. Dagegen sieht Ruddi nach den Matschwegen heute aus wie ein Straßenköter. Ich bin begeistert. Sie lieben Hunde, dann ist meiner ja auch kein Problem! Qué suerte (was für ein Glück)!
Ich bitte um ein Bett in dieser Herberge. Der Mann zögert und gibt mir zu verstehen, dass ich mit Ruddi nicht in der Herberge unterkommen kann. Das ist verboten. Ich lächle ihn siegessicher an, bin davon überzeugt, ihn rumzukriegen. Aber er bleibt hart. Allerdings hat er eine Möglichkeit für uns in einem Einzelzimmer. „Macht nix, das bin ich gewohnt!“
Er führt mich um das winzig kleine Bruchstein-Haus herum zu einem Stall. Er öffnet die knarrende, klapprige, aus den unterschiedlichsten Brettern zusammengezimmerte Tür. Es ist fast dunkel darin und ich glaub es schon wieder nicht! Ein harter Tag heute, ehrlich! Ich entdecke kaputte ausrangierte Möbel, die an der Wand entlang abgestellt sind, Säcke mit Baumaterial, die unterschiedlichsten Werkzeuge, Schubkarren, Müll und kreuz und quer hingeworfene Matratzen. Der Boden ist so ursprünglich wie die Natur, die ich unterwegs noch bewundert habe. Das Dach weist an mehreren Stellen große Löcher auf.
Das meint der doch nicht ernst! Ah, so langsam verstehe ich, der will bestimmt, dass Ruddi hier schläft und ich in der Herberge. Ich mache ihm klar, dass das nichts wird. Mein Hund muss bei mir schlafen, sonst heult der die ganze Nacht. Er lächelt mich an und gibt mir mit einer ausschweifenden Geste zu verstehen, dass wir hier auch beide übernachten können. Hä? Ich? Zusammen mit Ratten und Mäusen in einem runtergekommenen, baufälligen Stall? Im Leben nicht. Lieber laufe ich die ganze angebrochene Nacht durch.
Bevor ich ihm das klarmachen kann, bewegt sich etwas zwischen dem ganzen Zeug. Was ist das denn? Ich bekomme eine Gänsehaut. Will ich wirklich wissen, was sich da bewegt hat? Es könnte ja auch was Grauenvolles sein. Beim genaueren Hinsehen entdecke ich einen uralten Mann, der zusammengekauert in der hintersten Ecke auf einer der dreckigen Matratzen sitzt. Auf seinem Schoß liegt ein Welpe und lässt sich genüsslich von ihm kraulen. Nun höre ich ein heiseres „hola“. Es ist kein Pilger, die sehen anders aus. Ich will auch nicht sagen, dass er ein Penner ist... die findet man in Köln am Bahnhof, aber doch nicht in Manjarín, oder? Entschlossen, aber nicht ohne den Gruß des einsamen Mannes zu erwidern, drehe ich mich um und baue mich wieder da auf, wo unsere Unterhaltung eben begonnen hatte.
Ich habe mal wieder eine Blitzidee und starte völlig überraschend mein Programm: Wie eine Teleshopping-Moderatorin preise ich aufgeregt meine Wenigkeit und vor allen Dingen Ruddi an. Temperamentvoll, zielstrebig und pausenlos moderierend packe ich meinen Rucksack aus, um an das Hundebett zu kommen. Ich vergesse nicht, zwischendurch ein bezauberndes Lächeln in Richtung Tomás´ Kollegen zu schicken. Und ich rede und rede... unglaublich überzeugt vom guten Gelingen dieser Aufführung.
Mit ausschweifenden Gesten klappe ich die Tasche auseinander, lege sorgfältig die Decke hinein und wie ein Zirkusdirektor seine Löwen auf einen bestimmten Platz dirigiert,
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