5 1/2 Wochen
Restaurant ist aber gar nicht viel los. Mist! Nur drei Tische sind besetzt und ich werde zudem freundlich lächelnd vom Wirt begrüßt. Ich zieh mein Ding trotzdem durch. Ich kann doch nicht schon wieder Pause machen!
Auf dem Rückweg durch das Restaurant höre ich mir bekannte Stimmen. Das gibt es doch gar nicht! Da sitzen doch tatsächlich in fröhlicher Runde meine vier Österreicher zusammen. Sofort wird ein fünfter Stuhl an den Tisch gezogen und ich daraufgesetzt. Ruddi wird mit ein paar Papierservietten ein bisschen abgetrocknet und schon ist eine weitere Pause eingeleitet. Toll! Ich freu mich! Zwischen all den neuen Pilgern gibt es also doch noch welche, die ich kenne und auch noch besonders gerne hab.
Lachend teilen wir uns mit, was in den letzten Tagen so passiert ist und für heute noch ansteht. Meine Pilgerfreunde raten mir dringend davon ab, bei dem Wetter bis Ó Cebreiro zu laufen. Das sei viel zu gefährlich und zu anstrengend als Abschluss einer 29-Kilometer- Etappe. Um sie zu beruhigen, lasse ich das Ende des Tages mal offen und „werde schon sehen, wie weit ich komme“. Alle sind wohlauf und guter Dinge. Bis die teuflischen Spanierinnen den Raum betreten, nun uns alle fünf abschätzend und Ruddi wie gewohnt missbilligend ansehen. Auch meinen Freunden sind diese Frauen schon öfter unangenehm aufgefallen. Wir fackeln nicht lange, entscheiden uns für den Camino und gegen eine destruktive Unterhaltung über die Damen.
Rucksäcke auf, Ponchos drüber und ab dafür. Wir sind uns einig: „Jeder nach seiner Fasson.“
Mit einer herzlichen Umarmung verabschieden wir uns draußen im strömenden Regen und jeder geht weiter seinen Weg. Die vier laufen vor mir her, als wären sie eins. Wir haben uns darüber unterhalten, wie es möglich ist, das zwei Ehepaare zusammen pilgern. Jeder hat doch sein eigenes Tempo, aber sie passen sich ohne Mühe einander an. Ich bin sicher, dass das eine Seltenheit ist.
So langsam fühle ich mich von den Bergen eingeschlossen. Meine Augen sehnen sich nach einem weiten Blick, nach dem Horizont. Ein paar Kilometer muss ich noch durchhalten, dann kletter ich wieder die Berge hoch und darf die weite Landschaft genießen. Ich freu mich drauf.
Die letzten zwei von den fünf Kilometern zwischen Pereje bis Trabadelo verlaufen wieder über eine schmale geteerte Straße. Sehr deutlich nehme ich das Zwitschern der Vögel wahr. Die haben sich mit Sicherheit auch immer jede Menge zu erzählen - bei den vielen Pilgern die hier so vorbeikommen.
Insgesamt vier Mal führt der Weg unter den riesigen Viadukten der A6 hindurch. Weit über mir donnern die LKW und PKW über die sehr stark befahrene Autobahn hinweg. Mit bewusst festem Stand, lege ich meinen Kopf in den Nacken und schau mir - ein wenig wackelig in den Beinen - die Unterseite eines solchen Viadukts mal genauer an. Ohne Fernglas sind keine Einzelheiten zu erkennen, so hoch wie das Ding ist. Das ist schon der Wahnsinn, was die Brückenbauer drauf haben. Ich bin sehr beeindruckt von diesen Bauwerken, die den Hauptverkehr in schwindelerregenden Höhen durch dieses Tal lotsen.
Gleicher Tag (insgesamt 614,6 km gelaufen)
Ambasmestas (68 Einwohner), 605 m ÜdM, Provinz León
Pension, Doppelzimmer, 25 € ohne Frühstück
Es ist schon später Nachmittag. Bis Ó Cebreiro liegen noch 14 Kilometer vor mir. In dem kleinen Dorf Ambasmestas fällt mir ein Schild vor einer schmucken gepflegten Pension auf: A la venta (zu verkaufen). Normale Reaktion wäre, die nächste Bar aufzusuchen, um eine kleine Pause zu machen. Aber irgendwas zieht mich genau in dieses Haus. Ich betrete einen sehr gepflegten Schankraum. Rechts befindet sich eine lange wunderschöne Theke und links stehen, locker und leicht an der Wand entlang angeordnet, einige kleine, runde Tische mit gepolsterten Stühlen. Ich fühle mich sofort sehr wohl und bestelle mir bei dem herzlichen Wirt meinen Kaffee.
An der Bar sitzt ein einziger Gast. Es ist ein bäuerlich wirkender älterer Señor, der mich sofort in Beschlag nimmt. Er redet freundlich, aber ohne Pause auf mich ein und ich verstehe kein Wort. Er scheint mir lustige Dinge zu erzählen, seine Augen leuchten und er hat sichtlichen Spaß an dieser „Unterhaltung“. „Mi español es muy pequeño, no comprende, lo siento (mein Spanisch ist sehr klein, nix verstehen, tut mir leid)!“ sage ich immer wieder zu ihm. Er lässt sich aber nicht beirren und erzählt und erzählt... Oh, hoppla, jetzt habe ich ein Bruchstück
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