5 1/2 Wochen
Euro für eine Nacht, ein Doppelzimmer gibt es für 65 Euro. Ist zwar viel teurer, als ich dachte, aber wo soll ich denn sonst hin. Es gibt nur das eine Hotel. Im ersten Moment bin ich versucht, Hermann zu fragen, ob wir uns das Zimmer teilen sollen. Dann entscheide ich mich dagegen. Ich kann doch nicht mit einen fremden Mann, den ich erst einen halben Tag kenne, das Zimmer teilen - und die Idee wäre auch noch auf meinem Mist gewachsen! Nein, das geht nicht. Würde er mich fragen, vielleicht ginge es dann, aber so... Die Bar ist sehr voll, ich drängele mich durch die vielen Menschen und entdecke dabei, an einem Tisch Mary und Lynn. Die Wiedersehensfreude ist groß. Wir berichten uns die Tagesereignisse und sie werden blass, als sie hören, dass ich mich verlaufen habe. Was da alles hätte passieren können... und wo ich denn schlafen wolle, das Hotel nimmt doch den Hund nicht auf, wie sie gestern auf die telefonische Anfrage in meinem Namen, erfahren haben. „Psst. Bis jetzt hat ihn das Personal nicht gesehen. Ich werde ihn einfach nicht anmelden, sondern rein schmuggeln.“ Die beiden strahlen über alle vier Backen, freuen sich über meinen Mut und wünschen mir viel Glück.
Hermann sitzt draußen in der Abendsonne vor seinem letzten Schluck Bier. Ich erzähle ihm von den Wahnsinnspreisen des Hauses, er staunt darüber, reagiert aber nicht weiter. Ich will ihn nicht erschrecken und behalte meine Idee vom Teilen für mich.
Irgendwann raffen wir uns auf, das lauschige Plätzchen zu verlassen. Hermann geht frohen Mutes in die Klosterherberge, wo 120 Personen in einem Raum schlafen. Für mich ist das unvorstellbar. Ich bin ganz schön aufgeregt, als ich mit meiner „Schmuggelware“ in der Trixi-Tasche mit letzter Kraft die Treppe hochkrabbele. Vorsichtshalber flüstere ich Ruddi zu, dass er heute ganz leise sein muss, damit wir nicht auffliegen und hierbleiben können. Ihm ist es recht, er will sowieso nur noch schlafen. Er war den ganzen Tag auf seinen vier Beinchen unterwegs.
Nach dem Duschen muss ich mich schwer zusammenreißen, nicht einfach ins Bett zu fallen. Ich muss heute die Wäsche waschen, wenn ich morgen was Frisches anziehen möchte. Lust habe ich nicht, mich vor das Waschbecken zu stellen. Was heißt Lust, ich hoffe, dass ich überhaupt stillstehen kann. Die Füße haben zwar keine Blasen, aber einen unglaublichen Druck unten drunter. Das sind die dreizehn Kilo vom Rucksack. Die spüre ich selbst dann, wenn er abgelegt ist. Ich muss was essen, damit mein Körper sich bis morgen wieder erholen kann. Zu alledem ist der Hunger sehr groß und ich will Hermann auch nicht versetzen. Mir fällt ein, dass ich noch den Pilger-Stempel brauche. Das erledige ich auf dem Weg zum Restaurant.
Unterwegs treffe ich die Reiter vom Rolandsbrunnen ohne ihren gierigen, stürmischen Hund. Dem wird doch nichts passiert sein? Auch wenn der Sausack meine Jacke ziemlich dreckig gemacht hat, wünsche ich ihm nur das Beste - er wollte mir ja nur die Wurst vom Baguette nehmen. Ich frage nach dem Verbleib des Raubtiers und bekomme zur Antwort: „Der gehört uns nicht, der ist uns zugelaufen, hat uns bis hierhin begleitet und jetzt ist er wieder weg.“ Im Stillen, nur für mich, entschuldige ich mich für meine gedanklichen Anschuldigungen und Vorwürfe heute Nachmittag. Da kann man mal wieder sehen: Es ist nicht immer so, wie es scheint.
Ich komme ziemlich spät zum Essen. Das kleine Dorf-Restaurant gegenüber dem Kloster ist gerammelt voll. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Als mein heutiger Wegbegleiter mich an der Theke entdeckt, winkt er mich an den Tisch, an dem er mit zwei Männern sitzt. Er hat gedacht, ich läge schon in den schönsten Träumen. „Denkste! So schnell lass ich mich nicht kleinkriegen!“ Mein Pilgerkumpel hat schon gegessen und entschuldigt sich dafür. „Ist doch nicht schlimm. Hätte ich an Deiner Stelle auch gemacht“, beruhige ich ihn. Er bestellt eine Runde Bier und stellt mich den anderen vor mit den Worten: „Das ist meine Frau. Wir waren fast den ganzen Tag zusammen unterwegs.“ Er freut sich wirklich, dass ich doch noch gekommen bin. Da ich Heißhunger auf Nudeln habe, verzichte ich auf das angebotene Pilgermenü. Ich brauche lediglich die Vorspeise, nämlich die Makkaroni mit Tomatensoße und Käse. Die doppelte Portion, bitte schön!
Während ich mein Essen genieße, gesellen sich zu meiner Freude noch Gabi und Franz-Josef aus Aachen an unseren Tisch. Unglaublich, wie sehr ich
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